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Sonntag, 4. Dezember 2022

Kreistag (XI): Schluss mit lustig

07. November 2022, Kreistagssitzungssaal Darmstadt-Kranichstein

Beginn: 13:08 Uhr — Ende: 15:37 Uhr

Vorab

Der scheppernde Gong, der den Sitzungsbeginn ankündigte, wurde durch ein angenehmeres Geräusch ersetzt, aber keine Stimme fordert auf, den Gurt zu schließen, Tische hoch zu klappen und die Sitzlehne aufrecht zu stellen. Es dauert etwas, bis die Damen und Herren von der sPD/€dU-Babbelgruppe sich auf ihre Plätze begeben. Sogar der Landrat kommt noch bei meinem Sitznachbar Werner Bischoff vorbei und teilt ihm mit, dass er ihn vermisst hat (mich schaut er, wie immer, nicht einmal an). Am Ende der Sitzung wird er sich von ihm distanzieren. Doch später mehr dazu.

Die Kreistagsvorsitzende hatte vor ein paar Tagen per E-Mail einen dringenden Appell an alle Kreistagsmenschen (auch Verwaltung und Großkopferte) gerichtet, doch bitte mindestens eine Maske zu tragen. Ich sehe aber kaum Leute, die das für wichtig halten und zähle mal durch: auf der Kreisausschuss-/Landratsbank sind es nur wenige, und im Saal nur 7 von 19 Anwesenden der sPD, 4 von 16 der €dU, 6 von 13 der Grünen, jeweils 1 von 4 bei fdP und UWG/FW, 1 von 3 #AfDern und die beiden SKB-Damen. Und ich.

Beginn: 13:08 Uhr

Der #AfDer Nitsch ist schon wieder nicht da. Frau Wucherpfennig begrüßt heute ausdrücklich den Elferrat mit Herrn Scheelhaas an der Spitze. Ich vermisse den Tusch; schließlich beginnt bald die Fastnachts-Saison.

TOP 2 – Der übliche Monolog

Der Landrat geht ans Rednerpult, zieht seine Lesebrille noch über seine normale Brille und verkündet bedeutungsschwanger, er werde etwas länger reden: „Lehnen Sie sich entspannt zurück“. Eine Dame auf der Kreisausschuss-Bank strickt.

Er erwähnt Lauterbach’s geplanten Energiekosten-Zuschuss für Kliniken und berichtet über etwas, „wovon ich eigentlich nicht berichten will“; nämlich, dass es demnächst eine „Blackout“-Übung mit den Kreiskommunen gebe. Warum die gemacht werden muss, lässt er im Dunkeln (pun intended). Ob die völlig unnötige Panikmache von den Rechten (#FCKAfD und €dU) damit zu tun hat?

Er kommt zum Hauptthema: der Standort der Kreisverwaltung und dessen Zukunft. Wir bekommen eine Geschichtsstunde zur Historie der Kranichstein-Gebäude, Zahlen werden in den Raum geworfen, wann wie viel ausgegeben wurde, um die maroden Gebäude weiter nutzbar zu halten (ich frage mich, ob er meinen Bericht vom letzten Mal gelesen hat). „Das, was ich nun sage, will ich nicht in der Zeitung lesen“ scheint etwas zu sein, was er sich gerne sagen hört. Vielleicht sollte er darüber nachdenken, sowas dann auch nur in kleiner Runde (z.B. in der Kneipe) zu tun und nicht in aller Öffentlichkeit. Viele gemachte Arbeiten werden genannt und auch viele Pläne; er erweckt den Anschein, dass er weiß, was er da tut (ich grinse hinter der FFP2-Maske).

Am Ende kommt dann der größte Klops: für die Kreisverwaltung sei „das Projekt ‚Blumenwiese‘ beerdigt“. Es werde keinen kompletten Neubau der Kreisverwaltung geben. Warum dann vor ein paar Monaten der Antrag, das schon mal vorab per Kreistagsbeschluss festzutackern, von der Angola-sPD/€dU-Koalition so vehement abgelehnt wurde, sagt er nicht. Diese Lösung sei billiger als ein Neubau, alle Kolleg:innen würden nach und nach aus den in Darmstadt befindlichen gemieteten Immobilien nach Kranichstein geholt; was mit dem DaDi-Werk in der Rheinstraße passiert, müsse man noch schauen. Nach 20 Minuten verkündet er „Das war die Botschaft“, um dann gut gelaunt fortzufahren „Das ist aber noch nicht alles“ und an die Sozialdezernentin abzugeben. Was die dann zu erzählen hat, kann man der gut informierten Presse oder der Landkreis-Webseite entnehmen (habe keine Lust, hier damit weiter zu langweilen, weil das zu ernst ist, um sich darüber lustig zu machen).

TOP 8 – Adios Informationsfreiheitssatzung

Die Angolas von sPD/€dU wollen diese Satzung streichen; es gäbe ja das Informationsfreiheitsgesetz und die Verwaltung gäbe die Information sicher gerne freiwillig heraus (ich lache und denke nur „Ja, ja…“). fdP-Mann Zahedi zerpflückt die beabsichtigte Streichung und führt aus, dass ohne die Satzung die Gesetzmäßigkeit nicht gegeben sei, weil die Partizipation der Bürger:innen beschnitten werde. Auch der Redner der Grünen fragt, weswegen die Satzung abgeschafft werden soll, wenn sPD und fdP erst in der letzten Wahlperiode so gedrängt hatten, sie einzuführen.

Trotz all der Bedenken schaffen die Angolas die Informationsfreiheitssatzung mit ihrer sPD/€dU-Mehrheit einfach ab und ich frage mich, wer hier eigentlich die Politik der Koalition bestimmt – die €dU mit ihren altbacken-antisozialen Ideen? Wieso kuscht die sPD? Was hat die €dU in der Hinterhand? Ist die schon seit Jahren andauernde Opfer-Mentalität der Bundes-sPD nun bei der sPD DaDi angekommen?

TOP 12 – die #FCKAfD kriegt auf den Deckel

Die Föhrrrerrrin der #AfDer redet. Es geht um den von den Grünen beantragten Klimacheck für Kreisentscheidungen und die Föhrrrerrrin liest vom Blatt das übliche stumpfe Grünen-Bashing auf Basis irgendwelcher Umfragen ab, die dem blaunen Pack gerade so auskommen, um dann zu behaupten, die Grünen kümmerten sich „zu viel ums Klima und nicht um das Wichtige“ und außerdem sei das „Klimaabkommen nicht einzuhalten”. Was denn nun wichtig ist nach Auffassung der Rechtsextremen, sagt sie nicht. Die folgenden Redner:innen lesen der #FCKAfD erstmal die Leviten und erklären ihnen, dass die Klimakatastrophe genau jetzt passiert und nichts wichtiger sein kann als das; sogar Frau Heß von der neuen SKB-Fraktion, die noch weniger Reden hält als ich im Kreistag, äußert sich. Nur der zerzauste Professor fragt, welchen Sinn leere Busse von und nach Herchenrode haben und zeigt damit, dass die fdP auch nicht begriffen hat, was wichtig ist.

Der restliche Teil der Sitzung ist fast nur von Friede, Freude, Eierkuchen geprägt: Werner Bischoff redet von seinen persönlichen Erfahrungen während seines Kreiskrankenhaus-Aufenthalts zur Reha von einer Herzoperation (die €dUler raunen), um dann bei …

TOP 21 – der Eklat

… so richtig auf die Kacke zu hauen. Er liest eine wahnsinnig krude Pro-Russland-Rede zu dessen Überfall auf die Ukraine vor, die vor offensichtlichem Unfug nur so strotzt und an den Stuss erinnert, den Extremisten wie Sahra Wagenknecht und zahlreiche der #FCKAfD-Faschisten von sich geben. Im Saal wird es sehr schnell unruhig, es gibt lautstarke Proteste und aus den Fraktionen von sPD und €dU wird „Pfui!“ gerufen (da hat wohl einer in den Popel gegriffen, den der Sitznachbar unter den Tisch geklebt hatte). Nach Ende der Rede kommt Bischoff an meinem Platz vorbei und ich sage nur „Das war ein riesengroßer infamer Stuss und das weißt Du“; er verteidigt sich damit, dass bei den Kreis-Linken in kleiner Runde viele die Rede für gut hielten (ich rolle mit den Augen). Der Landrat ergreift das Wort am Mikrofon und spricht von einer „fürchterlichen Entgleisung“ und dass sich Bischoff damit „ins Abseits geschossen“ hätte.

Auf welche Art und Weise verschmutzen Männer die Kreistags-Pissoirs, dass eine Klobürste notwendig ist?

Die Sitzung endet damit, dass Herr Scheelhaas verkündet, der Landkreis Darmstadt-Dieburg hätte am 30.06.2022 die Grenze von 300.000 Einwohnern überschritten.

Um 15:37 Uhr ist Schluss.

Nachtrag

Wenige Tage nach der Sitzung erreicht alle Beteiligten an der Kreistagssitzung eine Mail von Werner Bischoff, in der er zugibt, dass viele der Dinge, die er in seiner Rede behauptet hat, Unsinn und falsch sich und er sich dafür formell entschuldige.

Wer wissen möchte, was die 300.000-Einwohner-Marke zu bedeuten hat, dem empfehle ich die Lektüre von § 25 der Hessischen Landkreisordnung (HKO). Den Absatz 2 des § 25 HKO zieht der #LaDaDi jetzt schon; ab der nächsten Wahlperiode wird der Kreistag also voraussichtlich mindestens 81 (statt 71) Sitze haben.