Kreistag, die Zweite

Bericht unseres Kreistagsabgeordneten:

21. Juni 2021, Stadthalle Groß-Umstadt

Start: 13:06 Uhr – Ende: 17:57 Uhr

Besondere Vorkommnisse:

Kreistag, 21. Juni 2021
a) TOP 7: Wahl des ersten Kreisbeigeordneten

Auf die öffentliche Ausschreibung gab es nur eine Bewerbung von einem gewissen Lutz Köhler, bisher tätig als Glücksspieler-Junkie in Wiesbaden. Mist, jetzt habe ich schon wieder eine Chance verpasst, mein mageres Gehalt auf Besoldungsgruppe B5 aufzubessern mit Einkommensgarantie für die nächsten 5 Jahre!

Die Wahlurne ist ein silberner Mülleimer auf Rädern – ein Omen? Herr Köhler bekommt 43 Ja-Stimmen, 24 Nein-Stimmen und eine Enthaltung.

Der Landrat beruft ihn nur bis zum 21.06.2022 (das lässt hoffen), aber irgendein Schlauberger bemerkt den Fehler und Herr Scheelhaas muss sich korrigieren. Herr Köhler bedankt sich in seiner Antrittsrede nur bei denen, die ihn gewählt haben; also nicht bei mir. Das wird mich auf ewig beschäftigen; die Rechnungsadresse für die psychologische Betreuung kenne ich ja.

b) TOP 17: Wahl von drei Kreistagsabgeordneten für die Frauenkommission

Die €dU hat einen Mann dafür aufgestellt, weil es wohl an Frauen in ihrer Fraktion mangelt (Vermutung!) und ein Mann sowieso besser weiß, was Frauen wünschen (Männer wissen immer alles besser – merkt Euch das!). OK, ich hatte mich auch beworben um einen Posten – aber hey! In meiner Fraktion(slose) gibt es tatsächlich keine Frauen; nicht mal virtuelle.

Die Kreistagsvorsitzende hätte mich in der Aufzählung der Kandidat:innen fast vergessen und kommentiert das nur schnippisch mit „Herr Hardt will Herrn Bubenzer wohl nicht alleine lassen.“ (so wird im #LaDaDi mit Fraktionslosen umgesprungen)

Ich freue mich (wirklich!), dass alle Abgeordnete der einzigen Nur-Frauen-Fraktion im Kreistag für mich stimmen. Trotzdem reichen fünf Stimmen nicht für die Wahl – dabei wollte ich doch allen Frauen im Kreis einen Küchenfreund aus Holz schenken…

c) TOP 27: Antrag der AfDer zur Änderung des Corona-Hygienekonzepts im Kreistag

AfDer Nitsch, der, bekleidet in T-Shirt, kurzer Sporthose, weißen Socken und Sneakern, offenbar gerade vom Strand kommt, liest eine komplizierte Begründung vor, in der öfters die Phrasen „auf Facebook wurde geschrieben…“ und „es ist bekannt, dass…“ fallen. Trotzdem können wohl die Kreistagsabgeordneten von der Idee nicht überzeugt werden: nur die AfDer selbst stimmen für ihren Antrag.

Später passiert dann noch was anderes (siehe Punkt g) weiter unten).

d) TOP 28: noch ein Antrag der #FCKAfD

Nachdem die AfDer-Fraktionschefin die Begründung verlesen hat, verlässt sie den Saal (wohl zur Toilette). Es kommt zur Abstimmung und die Kreistagsvorsitzende fragt, wer denn für den Antrag stimme. Niemand hebt die Hand. Verwundert wiederholt sie: „Will die AfD nicht für ihren Antrag stimmen?“ Die AfDer schauen sich gegenseitig unsicher an und heben dann zögerlich die Hand. Ich lache laut auf.

Wenn die Fööööhrerin fehlt, weiß das rechte Fußvolk wohl nicht, was zu tun ist.

e) TOP 30: Videokonferenzsysteme an Schulen

Ich hatte eine Änderung des Originalantrags beantragt (valga la redundancia), den Lehrkräften möglichst spät das neue System bekannt zu machen und ihnen bloß keine Schulung zukommen zu lassen. Vor der Sitzung kamen ein paar Personen auf mich zu und beglückwünschten mich zu diesem Antrag (weiß der Kuckuck warum). Meine mündliche Begründung am Rednerpult sorgt für ein wenig Aufruhr. Ein paar sPDler verlassen den Saal – das passiert nicht mal bei der AfD; offenbar ist das rechte Pack schon in der Mitte des Kreistags angekommen.

Als ich am Ende meiner kurzen Rede dazu aufrufe, Lehrkräfte nun wieder genauso hängen zu lassen wie schon seit Beginn der Corona-Krise, weil sie sowieso faul, ständig in Ferien oder „in Quarantäne“ sind, springt ein älterer sPDler in den hinteren Reihen auf und ruft verärgert, es sei eine Unverschämtheit, sowas zu sagen.

Matti Merker (sPD) bemerkt später, meine „Jungfern-Rede“ sei pointiert gewesen.

f) TOP 33: Nutzung der Corona-Warn-App statt der Luca-App

Mein Änderungsantrag ist ein fulminantes Plädoyer für die Datenspreader-Software Luca-App (Jan Böhmermann berichtete), dessen mündliche Begründung von mir im Plenum anscheinend nicht mit dem notwendigen Ernst begegnet wird; jedenfalls gibt es ab und zu Gelächter. Besonders Herr Köhler lacht laut, als ich sage, dass SAP grauenhafte Software macht, die kein normaler Mensch bedienen kann und die einfache Prozesse völlig unnötig verkompliziert.

Frau Sprößler (sPD-Fraktionsvorsitzende) widerspricht später meiner Aussage, die Rückverfolgung über handschriftlich ausgefüllte Zettel in Gastronomiebetrieben wäre ein Flop und datenschutzrechtlich mindestens bedenklich.

g) Der Polizeieinsatz

Mehrere Polizeibeamte erscheinen im Gebäude und fragen nach der Kreistagsvorsitzenden, die die Sitzung unterbricht, um mit den Beamt:innen zu sprechen.

Sie kommt zurück und berichtet, die Polizei hätte einen Anruf erhalten, dass in der Kreistagssitzung ständig gegen das Corona-Hygienekonzept verstoßen würde und sie müsse dem nun nachgehen. Alle, die vor mir sitzen, drehen sich zu den AfDern rechts neben mir um und schauen sie böse an.

Ob das was mit Punkt c) zu tun hatte? Wer weiß…

Nachtrag

Kurz vor Beginn der Sitzung kam die Kreistagsvorsitzende auf mich zu und eröffnete mir, ich könne die PARTEI-Tischfahne nicht wieder aufstellen. Als ich nach dem Grund fragte, sagte sie, das sei nicht üblich, viele Abgeordnete hätten sich deswegen beschwert (komisch, wenn ich ganz hinten sitze und alle nach vorne schauen (sollten)) und das Kreistagspräsidium hätte das so beschlossen. Es gäbe keine schriftlich fixierte Regelung diesbezüglich, aber sie könne auch im Plenum darüber abstimmen lassen (ihre Augen blitzten). Sie wolle das rechtlich prüfen lassen und ich sagte, dass es gut wäre, wenn sie das täte. Da sie am Ende ihrer Ausführungen einen eher flehenden Blick in ihren Augen hatte und ich zwar satirische, aber keine unmenschliche Politik betreibe, stimmte ich zu. Allerdings hätte ich mir gewünscht, früher von der Abmachung unterrichtet zu werden; als Fraktionsloser wird man offenbar nicht nur von vielen Entscheidungen ausgeschlossen, sondern auch über wichtige Vorgänge im Dunkeln gelassen.

Ich war –dem Flurfunk sei Dank!– aber vorbereitet und hatte einen Gruß an die neben mir sitzende #FCKAfD, die UEFA und Manuel Neuer dabei (siehe Foto). Mal sehen, ob das nun auch wieder zu politisch war und ich beim nächsten Mal lieber Tischfahnen von kommerziellen Werbepartnern mitbringen sollte; schließlich ist sowas z.B. im #NieWiederCDU-geführten Landwirtschafts-Bundesministerium üblich.

Anfragen an meine Mailadresse nehme ich gerne entgegen. Es gilt die Preisliste vom 21. Juni 2021. #käuflichabernichtkorrupt“