Vor zehn Jahren gründeten Redakteure der Frankfurter Satirezeitschrift »Titanic« »Die Partei«. Deutschlandweit auf dem Vormarsch, hat es ihr Bundesvorsitzender, der Satiriker Martin Sonneborn, gar ins Europaparlament geschafft. Im Süden Badens will der »Spitzenkandidat auf Lebenszeit«, Simon Waldenspuhl, ebenfalls die Politik aufmischen.
Herr Waldenspuhl, Sie sind bei der Kommunalwahl im Mai mit 1,5 Prozent der Wählerstimmen im Freiburger Gemeinderat gelandet. Mussten sich die anderen Fraktionen schon warm anziehen?
Simon Waldenspuhl: Natürlich. Ich denke, die anderen Fraktionen haben die Zeichen der Zeit erkannt. Bevor es zu den ersten Stadtratssitzungen kam, habe ich in den Fraktionsverhandlungen viele Angebote bekommen. Wenn sich die anderen Parteien uns möglichst früh anschließen, werden sie später umso mehr davon profitieren.
Sie haben auch die Burkapflicht für ihre männlichen Kollegen im Gemeinderat gefordert. Hatten Sie vorher möglicherweise zu heiß gebadet?
Waldenspuhl: (Holt ein Kärtchen aus der Tasche und zitiert einen vorformulierten Text). Das ist eine Meinung, die ich respektiere, aber nicht teile. Gut, dass sie das ansprechen, lassen Sie mich aber zunächst unseren Wählern danken.
In ihrem Fünf-Punkte-Programm machen Sie klare Ansagen: Das »Milliardengrab« des Freiburger Münsters gehöre abgerissen und vor den Toren der Stadt wieder aufgebaut. Stattdessen soll dort ein neues Fußballstadion hin. Gibt es keine andere Möglichkeit sich Freunde zu machen?
Waldenspuhl: Richtig, Freunde haben wir uns gemacht. Also unsere Wahlergebnisse haben ja gezeigt, dass wir den Nerv der Zeit getroffen haben mit unseren Forderungen. Unser Fünfpunkte-Programm für ein lebenswertes Freiburg wurde grundsätzlich gut aufgenommen. Es kam keine Kritik bis jetzt. Die Bürger dieser Stadt haben genug von diesem maroden Milliardengrab, diesem Schandfleck Freiburgs. Freiburg braucht keine Elbphilharmonie. Das ist der Grund, warum ich jetzt im Stadtrat sitze.
Außerdem schlagen Sie eine Mauer um das Öko-Viertel »Vauban« vor. Ähnliches will Partei-Bundeschef Martin Sonneborn schon seit Jahren für die frühere innerdeutsche Grenze. Was haben Sie eigentlich gegen diese Leute?
Waldenspuhl: Politik braucht Feindbilder. Davon leben wir. Ich glaube, »Vauban« ist ein Feindbild in Freiburg. Niemand kann dieses grüne Ghetto dort leiden. Da dachten wir: Warum nicht eine Mauer errichten? Die Bewohner der »Vauban« terrorisieren ja die Innenstadt ständig mit ihren Funktionsjacken und Liegefahrrädern, und mit ihren unerzogenen kleinen Kindern, die die ganze Zeit schreien. Alnatura-Tüten liegen überall verstreut herum im Stadtgebiet. Um diesem Problem wirksam ein Ende zu setzen, muss man einfach eine härtere Gangart einlegen und sie aus der Stadt ausgrenzen. Natürlich wird es auch Ausreisemöglichkeiten geben aus Freiburgs grünem Gazastreifen.
Mit Stadträtin Gerlinde Schrempp von der Partei »Freiburg Lebenswert« sind Sie bereits kollidiert. Sie warfen Ihr vor, den KOD, also den Kommunalen Ordnungsdienst, mit Hohheitsrechten auszustatten. Was ist da passiert?
Waldenspuhl: Das weiß ich ja selbst nicht genau. Frau Schrempp hat vermutlich eines Tages das Internet entdeckt und uns dann ein paar böse
E-Mails geschrieben und dabei gedroht, vor Gericht zu klagen. Wir haben Frau Schrempp daraufhin aufgefordert, sofort das Internet zu verlassen. Offensichtlich tut das ja keinem gut. Ihr nicht, uns nicht. Ich weiß nicht, inwiefern das unsere Arbeit gefährden wird, dieser lächerliche Streit. Ich bin gespannt, was da noch kommt.
In Freiburg scheint die Welt doch eigentlich in Ordnung, OB Dieter Salomon ist bekennender Freund der »Titanic«. Was wollen Sie eigentlich verändern? Den erklärten Parteigegner FPD mit derzeit zwei Sitzen bei der nächsten Kommunalwahl rauswerfen?
Waldenspuhl: Also ich glaube, wir müssen da ja gar nichts mehr machen. Das mit der FPD erledigt sich ja von alleine. Was mir am Herzen liegt, ist der Wählerwille – also Freiburg, ein Stück lebenswerter zu machen. Ich denke, dass ich an diesem Ziel auch die nächsten fünf Jahre arbeiten werde.
Was ist denn der Wählerwille?
Waldenspuhl: Das fragen Sie am besten die Wähler. Das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht beantworten.
Sie haben Ihr Geschichtsstudium an der Universität Freiburg vorzeitig beendet. Kam Ihnen etwas dazwischen?
Waldenspuhl: Meine Karriere meinen Sie? Jaja. Ich habe irgendwann gemerkt – das Studium der Geisteswissenschaften – das wird nichts. Ich muss in die Politik, ich muss dahin, wo Wirtschaft und Politik eins werden. Und ich glaube, dass meine Karriere mit dem Einzug in den Freiburger Stadtrat einen großen Schritt nach vorne gemacht hat. Das Ende ist offen, ich bin aber auch offen für Angebote. (Simon Waldenspuhl macht eine Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann. Anmerkung der Redaktion.)
Welche Angebote meinen Sie?
Waldenspuhl: Da kann ich jetzt selbstverständlich nicht darüber sprechen.