Ich habe heute ein faires Tauschangebot für die sPDler im Saal dabei. „Klima“-Kanzler Olaf Scholz (sPD) hatte ja vor kurzem angekündigt, „endlich im großen Stil abschieben“ zu wollen und damit den populistischen Rechtsruck der einstmals „sozialdemokratischen“ Partei vollzogen. Daher will die sehr gute PARTEI im Kreistag aufrechten Sozialdemokraten wenigstens etwas Wertschätzung zeigen und ihrem Parteibuch auch (siehe Foto). Im Foyer werden belegte Brötchen und Gulaschsuppe angeboten; sowas gab’s ja noch nie! Schade, dass ich schon gegessen hatte. Nächstes Mal vorher bei allen (nicht nur den privilegierten Fraktionen) ankündigen?
Werner Bischoff zeigt mir stolz sein Rolling-Stones-T-Shirt. Wenn er nach dem Metallica- vor ein paar Wochen nun auch auf einem Stones-Konzert war, werde ich wohl neidisch werden müssen auf ihn. Auf verschiedenen Abgeordneten-Tischlein liegt ein 700-Seiten-Schmöker mit der Aufschrift „Haushaltsplan 2024“; ich hatte den Ausdruck im Vorfeld abgelehnt, weil ich immer noch umweltfreundlich heize und das Papier nicht brauche.
12:59 Uhr: der Vier-Ton-Gong rumpelt wieder über die Lautsprecheranlage. Wie immer interessiert das die laut miteinander babbelnden Kreistags-Kolleg:innen nicht die Bohne. Der frischgewählte künftige €dU-Landtags-Hinterbänkler Schimmel rennt wie ein Pavian… äh, aufgeblasener Pfau mit stolzgeschwellter Brust umher. Auch die Gongs um 13:00 und um 13:01 Uhr finden keine Beachtung, so dass die Kreistagsvorsitzende Wucherpfennig genervt ins Mikro leiert, sie wolle pünktlich beginnen. Was sie dann auch prompt tut und einfach ohne Verzögerung die Sitzung eröffnet. Schawupp, sitzen die Kolleg:innen auf ihren Hintern an den kleinen Tischchen.
AfDer Nitsch fehlt mal wieder (diesmal entschuldigt). Ich frage mal wieder: Wohnt er überhaupt noch im Landkreis? Kann das mal einer der mitlesenden Kreistags-Kolleg:innen dem Kreisausschuss melden, dass der das endlich mal überprüft? Hallo?
Frau Wucherdings gratuliert den zwei alten und dem neuen Landtagsabgeordneten; bei Manni Pentz (€dU) ist der wenigste Applaus zu hören. Mag man ihn etwa nicht so sehr wie er von sich selbst annimmt oder geht anderen seine rechtspopulistische Hetzerei auf Social Media auch auf den Zeiger?
Herr Scheelhaas tritt bedeutungsschwer ans Rednerpult. Ich mache mir erstmal ein Knoppers auf; es ist ja auch schon 13:11 Uhr und damit weit nach halb 10. Ich starte die Stoppuhr. Im Gegensatz zu den €dU-Schluderern Schimmel und Pentz hat der Landrat eine Krawatte an und zeigt damit Respekt vor dem Landratsamt und dem hohen Haus des Kreistags.
Scheelhaas’ Überschrift für den Haushalt 2024, den er heute (hoffentlich im Laufe des Tages) einbringen wird, ist „Sagen was ist“, verkündet er. Die Aussichten seien „bedrückend“. Ich unterdrücke ein Gähnen; das wissen wir doch schon. Langatmig babbelt er von irgendwelchen Welt- und nationalen Krisen, die uns auf Jahre beschäftigen werden. Geschlagene 36 Minuten in seine Rede hinein kündigt er an, nun endlich zu sagen was ist, babbelt aber trotzdem noch herum und erzählt von all den deprimierenden schlimmen Krisen, die uns noch erwarten. Ich überlege kurz, spontan aus dem Fenster zu springen und mir das Leben zu nehmen. Blöd nur, dass der Kreistagssitzungssaal im Erdgeschoss ist und der daneben liegende Teich nicht tief genug zum Ertrinken.
Endlich kommt er zum Haushalt, rasselt irgendwelche Prozentsätze runter (u.a. dass nur 9,9% für Sozialhilfe und 4,4% für ÖPNV ausgegeben werden), dass der Bau des Gefahrenabwehrzentrums in Roßdorf vorerst ausfällt und dass der Landkreis jetzt 40 neue Stellen braucht, weil die Kfz-Zulassung nun wieder in seinem Bereich liegt – offenbar will man nicht nur einer, sondern der Landkreis mit den höchsten Personalkosten in Hessen werden. Um 13:52 Uhr setzt er zu seinem Fazit an: „düsteres Bild“; ein Haushaltsausgleich sei auch mittelfristig nicht in Sicht. Er kündigt an, für den nächsten Haushalt externe Berater zu engagieren, die mögliche andere Einsparungen eruieren sollen. Wer die zahlen soll (und ob sie überhaupt bezahlbar sind oder €dU-Helfmann wie im Februar nachher wieder jammern muss), sagt Scheelhaas nicht. Er verlangt eine grundsätzliche Neuordnung der Landkreise und kreisfreien Städte, denn „wir werden es aus eigener Kraft nicht schaffen“. Nun, da die sPD sich der €dU angeschlossen hat in Hessen, ist das sicher in den Verhandlungen zur neuen Landesregierung mit drin und alles wird sehr bald viel besser (und wir bekommen ganz plötzlich 12.500 neue Lehrer und 25.000 Pflegerinnen)!
Um 14:01 Uhr bringt der Landrat den Haushalt offiziell ein. Ich will aufspringen und laut „Bravo!“ rufen, lasse das aber, weil niemand sonst in irgendeiner Form Freude zeigt. Um 14:05 Uhr verlässt er das Rednerpult. Ich halte die Stoppuhr an: er hat weniger als eine Stunde gebraucht.
Ein paar Minuten danach, plötzlich und aus heiterem Himmel nennt die Kreistagsvorsitzende meinen Namen, schimpft irgendwas von „ungeschriebenen Gesetzen“ und verlangt, ich solle den aufrecht stehenden DIN-A5-Zettel mit dem Angebot an Sozialdemokraten runternehmen, zusammen mit dem Bier (falls es Alkohol enthielte), denn es sei „nicht üblich“ Alkohol im Saal zu haben; ich könne es draußen im Foyer trinken. Zu Beginn der Sitzung stand noch eine Flasche Schnaps auf Manni Pentz’ Tischchen (in einer braunen Tüte versteckt), aber das hatte sie wohl übersehen. Frau Wucherdings droht dann noch mit einem Verweis. Verwundert, weil das Schildchen aus mehr als 3 Metern nicht mal lesbar ist, nehme ich den Corpus Delicti vom Tisch, lasse aber die üblichen „FCKAfD“-, „LOLsPD“– und sonstigen Sticker liegen; die sind ja offenbar nach den spontan erfundenen Wucherpfennig-Regeln nicht verboten. Irgendein:e sPDler:in oder ein:e besorgte:r €dUler:in hat mich wohl verpetzt. Wahrheit* tut halt weh mit Stock im Popo.
Bei den schon üblichen Anträgen von W. Bischoff, die von sPD/€dU immer abgelehnt werden, weil sie zu oft viel zu sozial und menschlich sind, fordert er bei TOP 13 die sPD auf, sich mal auf ihre soziale Demokratie-Idee zu besinnen. Ich rufe in ihre Richtung „Kommt rum! Ich hab’ Bier!“. Bei der sPD-Fraktion bleiben aber alle wie versteinert sitzen. Ob der Vorturner wohl eine strikte Order ausgegeben hat?
Um 14:51 Uhr ist Schluss. Zeit für ein Bier im Foyer.
*) Drei Tage später wird bekannt, dass die €dU Hessen den bisherigen Koalitionspartner GrüNee abserviert und mit der sPD die Landesregierung stellen wird.