04. April 2022, Stadthalle Groß-Umstadt
Start: 13:05 Uhr — Ende: 16:45 Uhr
Vor der Sitzung
Beim Hereinkommen in den Saal spricht mich die Kreistagsvorsitzende an und bittet mich, sie nach der Sitzung aufzusuchen, weil sie mit mir sprechen will. Was habe ich denn nun schon wieder verbrochen?
Als ich an meinem Platz sitze, kommt drei Minuten vor offiziellem Beginn der Sitzung der Fraktionsvorsitzende der €dU auf mich zu. Nanu, denke ich: die Kreistags-€dU lässt sich herab, mich mal nicht zu ignorieren und wie kleine Kinder wegzuschauen, wenn ich an ihnen vorbeigehe und grüße? Herr Schimmel (so heißt der Mann) spricht mich auf einen Facebook-Post an, der schon seit dem 19.02.22 (also seit vor der letzten Kreistagssitzung) online ist und die €dU Darmstadt-Dieburg bisher nicht die Bohne interessiert hat (obwohl ich sie getaggt hatte), und fordert ultimativ, dass ich ihn löschen solle, weil die €dU sich getroffen fühle. Na sowas, ich habe sie getroffen – na, dann muss der Post ja gut gewesen sein. Herr Schimmel versucht mich mit einem stechenden Blick in meine Augen zu verunsichern. Das funktioniert vielleicht bei seinen Angestellten (so er denn welche hat), aber doch nicht bei mir. Anfänger!
Er droht, die €dU würde im Laufe der Kreistagssitzung eine Erklärung zu dem Post abgeben, rechtliche Schritte gegen mich „prüfen“ und geht. Ich schaue in die Tagesordnung und finde nichts zu irgendwelchen Erklärungen. Naja, weiß der Kuckuck, was er wollte.
Auf meinem Platz liegt irgendein Wisch mit vielen Partei-Logos. Ach, jetzt erklären die Fraktionen irgendwas zum Krieg in der Ukraine. Diesmal wurde mir gar nicht Bescheid gegeben. Ist aber egal: ist sowieso nur das übliche Blabla.
Beginn: 13:05 Uhr
TOP 0 – Heuchlerisches Schweigen
Es wird eine Schweigeminute für die Toten im Ukraine-Krieg eingelegt. Seltsam: als die westlichen Truppen sich völlig überstürzt und feige aus Afghanistan verpisst haben, gab es kein Mitleid mit den afghanischen Helfer:innen, die wie minderwertige Aussätzige einfach im Stich gelassen wurden. Ich vermute, für bombardierte syrische Städte wurde auch nicht betroffen getan; genauso wenig wie für die Opfer von Bombardierungen kurdischer Siedlungen durch die Türkei oder die Toten beim Überfall von Aserbaidschan auf Armenien.
TOP 5 – Trauerrede des Landrats
Herr Scheelhaas bringt den Doppelhaushalt 2022/23 ein. Manche Kreistags-Kolleg:innen haben ein 700-Seiten-starkes Buch auf ihrem Platz liegen. Viele Zahlen, wenig Zuversicht – auch mit dem, was der Landrat dazu zu sagen hat. Ich höre halbherzig zu; schlechte Nachrichten gibt es in letzter Zeit viele. Herr Scheelhaas sagt was vom „düsteren Bild der Zukunft“, einem „durch Corona geprägten“ Haushalt und dass der Ukraine-Krieg mit seinen Folgen nicht mit einberechnet wurde und er glaube, dieser Krieg würde den Haushalt noch stärker belasten als Corona. Ich frage mich, warum er noch mal als Landrat angetreten ist, wenn er so ein chronischer Pessimist ist – er hätte nach der Landratswahl besser Luke das Amt überlassen sollen; schliesslich müssen die jungen Leute den Karren aus dem Dreck, in den die Boomer von sPD und €dU ihn immer noch reinfahren, wieder rausziehen. Schönling Lindner von der Spaßpartei fdP nennt sowas nicht „Schulden machen“, sondern „sich Geld aus der Zukunft nehmen“ – blumiger kann man nicht sagen, dass man auf die Jugend und deren Zukunft scheißt.
Der Landrat spricht mit sonorer Stimme von seinen ständigen Fehlleistungen… – äh, den Millionen-schweren Fehlbeträgen im Haushalt: mal 30 Mio. Euro hier, mal 27 Mio. dort, 44 Mio. Euro im Finanzhaushalt, die für 2022 fehlen und weitere 41 Mio. für 2023.
Scheelhaas sagt, er plane für die nächsten fünf Jahre. Der Sozialismus in seinem Lauf, hält also tatsächlich niemand* auf -nicht mal die €dU-, wenn man 5-Jahres-Pläne aufstellt. Ich wette, dass der Plan, genauso wie im real existierenden Sozialismus, ständig nach unten korrigiert wird, damit sich sPD und €dU jedes Jahr einen Orden für die Planerfüllung an die Brust heften können… – es sei denn, eine neue „Krise“ kommt dazwischen, die dann wieder die Schuld für alle Fehl-Kalkulationen bekommen wird. Kleiner Tipp unter der Hand: die Klimakrise wäre mal was neues.
Die Digitalisierung werde durchgeführt werden – jetzt aber wirklich und ernsthaft! Na, wenn man wie Herr Scheelhaas und die sPD schon so lange so viele Sachen GARANTIERT!, dann kann das mit dem noch klammeren Haushalt ja nur besser werden und endlich gelingen! Seien wir doch einfach mal optimistisch! Hurra!
Herr Scheelhaas lässt sich dann noch dazu hinreißen, sich über Bundes- und Landesthemen zu äußern, die gar nicht in den Kreistag gehören, bedankt sich am Ende pathetisch bei seinen Mitarbeitern und jammert, dass er in seiner Amtszeit ständig in Krisen sei und nicht „gestalten“ könne. Ich denke wieder an Luke, der das Amt liebend gerne genommen hätte, und daran, dass Rücktritt ja auch eine Option ist. Naja. Übrigens monologisiert Scheelhaas whopping 34 Minuten. Ist das ein neuer Rekord für ihn?
TOP 12 – Der Mumpitz mit den neu zu gründenden Sportschulen
Im Antrag stand eindeutig, die Angolas wollten Sportschulen neu einrichten, also hatte ich meine Rede darauf ausgelegt. Irgendwie trifft sie aber nicht so richtig das Thema – bis auf zwei Dinge: der Name Andy Möller und das Wort Mumpitz.
Die mir nachfolgenden Redner Bischoff und sPD-Mann Matti Merker sind sichtlich sauer deswegen. Matti kann ich später am Ende der Sitzung im Flur erklären, dass er anscheinend nicht richtig zugehört hat.
Außerdem muss ich auf Bitten der Vorsitzenden den Standardsatz am Ende jeder meiner Reden („Ceterum censeo AfD esse delendam.“) ins Deutsche übersetzen, weil „nicht jeder Fremdsprachen beherrsche“. Ich gebe zu, ich muss mich etwas zusammen nehmen, um nicht hinter meiner Maske loszulachen, komme dem aber nach (einige Menschen klopfen zur Zustimmung auf ihre Tische). Als der alte Kommunist Bischoff dann seine Rede mit „Mens sana in corpore sano“ beginnt, rufe ich „Auf Deutsch bitte!“, werde aber nicht beachtet. Frechheit!
Zwischendurch verteilt Herr Schimmel auf den €dU-Tischen lilafarbene Schokohasen, aber niemand verpetzt ihn, so dass die Kreistagsvorsitzende nicht schimpfen und fordern kann, doch bitte allen das gleiche zukommen zu lassen.
TOP 15 – Der Landrat zeigt, wer hier die Hosen anhat
Herr Scheelhaas (sPD) schickt Frau Sauer (Spaßpartei fdP) vor, um zeitlich vor dem Antragsteller W. Bischoff (fraktionslos) was zum Thema zu sagen. Sie redet lange, Herr Rupp (UWG) ärgert sich darüber und verlangt, dass das Kreistagspräsidium zusammentreten solle wegen Verstoßes gegen irgendwelche Absprachen, wird aber von den Etablierten überstimmt. Erst danach darf Herr Bischoff seinen Antrag begründen. Frau Wucherpfennig (sPD) fühlt sich danach bemüßigt, ihre eigene Meinung zum Thema zum Besten zu geben und ich frage mich: Ist sie als Kreistagsvorsitzende nicht eigentlich zur Neutralität verpflichtet? Irgendwie scheinen heute alle nervös zu sein.
TOP 16, 18, 19, … – Langeweile
Ich esse Popcorn, um das Blabla aushalten zu können. Bis auf Herrn Bischoff sind alle ähnlicher Meinung, glauben aber, unbedingt was wahnsinnig wichtiges zu den Themen sagen zu müssen. Ich gähne hinter der Maske.
TOP 20 – Ich wache auf
Der Grüne Grunwald hält eine flammende Rede pro Verschiebung der Elternbeitrags-Erhöhung und erwähnt, dass mehr als 10% der Familien nicht einmal erwägen, das Nachmittagsangebot anzunehmen, weil sie es sich schlichtweg nicht leisten können – und nun soll es noch teurer werden? Der €dUler Schimmel entgegnet: „Hohe Qualität kostet Geld! Also Erhöhung!“ Frau Sprößler hätte sich das angeguckt und außerdem: „Jeder, der will, bekommt einen Platz!“
Ich sitze hinten im Saal und denke, dass da vorne wohl ein Wohlstandsbürschchen redet, das noch nie überlegen musste, ob er sich was notwendiges leisten kann oder nicht und der allen erzählt, sie sollten doch Kuchen essen, wenn sie kein Brot kaufen könnten. Von der mir vor der Sitzung mit stechendem Blick angekündigten Erklärung höre ich nichts.
TOP 21 – Absichtliche Missverständnisse
Die Grünen wollen Carsharing – also Automobile, die ja 90% der Tageszeit eher immobil sind und nur rumstehen, mit mehreren Nutzern teilen. Das gefällt besonders der Spaßpartei fdP nicht, die ja nie teilen will – noch nicht mal ihren Reichtum, weswegen sie nicht nur auf Bundesebene gegen Mehrwertsteuer-Senkungen für Lebensmittel und für Sprit-Subventionierung sind. sPD und €dU missverstehen das Carsharing-Prinzip mit voller Absicht, um hanebüchene Katastrophen-Szenarien von ständig fehlenden Fahrzeugen und erfundenen Notsituationen herauf zu beschwören. Hatten die Initiatoren etwa gefordert, RTWs oder Polizei-Autos zu „sharen“? Ich kann nur mit dem Kopf schütteln und mich wundern über soviel mutwilliges Verdrehen. Mit fdP, sPD und €dU ist also nicht zu rechnen, wenn es bald darum geht, effektiv den vernachlässigten Klimawandel einzudämmen.
TOP 36 – Die verdickte AfD verlangt Unsinn (glaube ich)
Als die Föööhrrerrrin der #FCKAfD zum Rednerpult watschelt, verlasse ich den Saal. Draußen treffe ich zwei weitere Abgeordnete, die auch wegen des AfDer-Blubb rausgegangen sind. Ich komme mit Matti Merker (sPD) im Flur in Sichtweite der Rednerpulte ins Gespräch; wir warten darauf, dass der TOP beendet wird und wir wieder den Saal betreten können, sprechen u.a. über meine Rede und in welchem Kontext ich den Begriff Mumpitz verwendet hatte. Mitten im Gespräch sagt Matti plötzlich: „Hör mal, da ist gerade Dein Name gefallen.“ Ich sehe eine mir unbekannte Frau am Rednerpult, kann aber kaum was verstehen von dem, was sie sagt. Ich erfahre, sie sei eine Frau Brockmann von der €dU. Mir dämmert, dass das die angekündigte Erklärung ist. Wieso stand sie dann nicht auf der Tagesordnung?
Nachdem Frau Brockmann fertig ist und die Sitzung beendet wird, betreten wir wieder den Saal. Ich gehe zu meinem Platz und frage meine Sitz-Nachbarn, was die Dame da so erzählt hat. Irgendwas zu einem Facebook-Post, erfahre ich. Ich mache mir keine weiteren Gedanken, packe ein, spreche noch mit der Kreistagsvorsitzenden (es geht um das, was diese mir unbekannte Frau Brockmann redete) und fahre heim.
Am nächsten Tag begreife ich, was die €dU Darmstadt-Dieburg in ihrer christlichen Tradition im Schilde führt: eine Hexenjagd auf mich. Aber das hat nichts mit dem Kreistag zu tun, weswegen das hier nicht Thema ist. Anders als die €dU kann ich nämlich politisch-offizielles, partei-politisches und privates trennen. Nur soviel: mir wurde alles andere als geschadet, weder politisch noch persönlich. Der beabsichtigte Empörte-Boomer-Shitstorm ist ausgeblieben und ich habe immer noch keinen Brief von einem €dU-Anwalt oder der Staatsanwaltschaft im Briefkasten gefunden – macht mal hinne, Ihr €dU-Winkeladvokaten! Die Bundes-PARTEI-Juristen warten schon ungeduldig!
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*) Wenn ich hier von Ochs und Esel rede, dreht mir die waidwunde, Klage-geile €dU vielleicht einen Strick daraus, also: nein, schreibe ich nicht. Ätsch, €dU DaDi!