Am 3. Mai erreichte uns die höchst dringende Anfrage von Sindy Malsch, Bundestagsdirektkandidatin aus Erfurt, bitte Wahlkampfunterstützung nach Jena zu entsenden, da noch 1900 Unterstüzungsunterschriften für Die PARTEI in Thüringen benötigt werden. Die zuständige Wahlbehörde (SPD) habe leider erst gestern das dafür notwendige Formular herausgerückt. Was könnte also noch verantwortungsloser sein, als mal eben auf Kosten des Steuerzahlers eine Hotelsuite zu buchen und nach Jena zu fahren? Richtig: wenn wir das machen.
Die Thüringische Kleinstadt Jena bietet dem architektonisch interessierten Auge einen herben Kontrast zwischen in den Berghang hineingebastelten Villenvierteln und einer rustikalen ostdeutschen Arbeiterschließfach-Platte, die in ihrer Attraktivität durchaus mit Berlin-Marzahn oder Dresden ‘45 mithalten kann.
Am nächsten Mittag, nach einem kurzen Imbiss im hervorragenden ›Taj of India‹ in Jena, kamen wir – Rhavin Grobert (Bundestagsdirektkandidat Groß-Spandau) und Antje Tischer (Landesliste Sachsen, Direktkandidatin Bautzen) – am verabredeten Ort knapp über der verabredeten Zeit (ca. 1.5h) am Johannisplatz an und haben uns nach erneuter Standortnachfrage zügigst in Richtung Kulturschlachthof verlaufen. Dort trafen wir neben Sindy auf den gesamten Vorstand: Tim Loose, Stefan Wagner, Ben Becker (2. der Landesliste Thüringen) und Simon Wagner, der seine Schwerpunkte in der Bildungspolitik sieht und vor allem Inhalte überwinden möchte; sprach’s und überwand den Inhalt einer Bierdose.
Nach einer kurzen Einführung in unsere Arbeitsmittel („Kugelschreiber da, Zettel dort, Abmarsch!“) begannen wir das Publikum zu überzeugen, dass eine Wahl ohne Die PARTEI keine sei und man daher gefälligst für uns jetzt zu unterschreiben habe; und zwar hier – bitte, danke! Wir taten dies derart antiunauffällig, dass man uns bat, das Gelände zu verlassen – man wolle hier keine Politik. Die stärksten Parteien im Höcke-Land sind AfD, CDU, BSW und Linke, da ist das sicher eine gute Idee, um die eigene Verglasung nicht zu gefährden. Vor dem Tor trafen wir auf SPD-Oberbürgermeister-Bewerber Johannes Schleußner, der das Gelände soeben betreten wollte, und sich irgendwelche Sympathien erhoffte, indem er sich gestyled im blauen Maßanzug mit dem dortigen Hipster-Punk-Gelichter (und dabei versehentlich mit uns) fotografieren ließ. Er frug an, ob er schreiben darf, dass wir ihn unterstützen, und wir dachten uns: klar, Parteien, denen der Wähler scheissegal ist, müssen ja schliesslich zusammenhalten! #GrenzenDerSatire
Wir zogen weiter vom Spittelplatz zum Planetarium durch eine wunderschöne ganzheitlich-spirituell-versiffte Altbausiedlung, in welcher bio-energetische Haarfrisuren, Auraberatung und Kaffee per Instagram-Terminvergabe feilgeboten wurden (heute aber zu). Der Bollerwagen mit dem Bier leerte sich dabei immer mehr und die Mappe mit den bereits ausgefüllten Unterstützer-Unterschriften-Formularen füllte sich stetig.
Wir gelangten zum F-Haus, dem Ort, welchen Martin Sonneborn (Abgeordneter des EU-Parlaments für Die PARTEI, ehemaliger Frisur-Träger) und Sibylle Berg für ihre aktuelle Wahlkampfveranstaltung auserkoren hatten: Martin hatte das Kabel vom Laptop zum Beamer beim Soundcheck kaputtgespielt, schob das aber sicherheitshalber den Russen in die Schuhe. Und da nun ein Neues zu besorgen war, drohte er den zahlenden Gästen an, sie ohne eine Unterschrift bei uns nicht rauszulassen. Hierbei konnte Tim neben Unterschriften-Sammeln und einfach hervorragend in einem Anzug aussehen sein drittes Talent zeigen: auf seiner Blockflöte intonierte er zur Erheiterung der Gäste das PARTEI-Lied in allen 27 Strophen, während wir den Gästen am Tresen noch etwas auf den Kranz gingen, bevor wir uns dann verabschiedeten. Schließlich zerwohnt sich so eine Suite im Leonardo-Hotel im nahen Weimar (Pool, Sauna, Westfernsehen) ja auch nicht von alleine!