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Samstag, 1. Januar 2000

Brot kann man nicht einfrieren

Hallo, schön dass du über die Google-Funktion auf unsere Seite aufmerksam geworden bist.

Du hast sicherlich einen unserer Sticker entdeckt (die du übrigens hier bestellen kannst) und fragst dich jetzt, was es damit auf sich hat.

Vielleicht hast du verwundert auf die Aussage reagiert, den Kopf geschüttelt oder hast dich sogar ein bisschen angegriffen gefühlt. Auf jeden Fall hat es dazu geführt, dass du den Satz gegoogelt hast – über die normale Menüleisten kommt man nicht zu diesem Artikel.

Gedanken wie „Doch, Brot kann man einfrieren!“ oder „Meine Mutter/ Opa/ Tante/ Bruder/ Nachbar*in friert ihr Brot schon immer ein, natürlich geht das!“ schnellen durch deinen Kopf, während du die Aussage liest und am liebsten würdest du uns das direkt ins Gesicht sagen.

Also was soll das Ganze?

Warum schreiben wir „Brot kann man nicht einfrieren“ auf einen Sticker, obwohl wir doch genau wissen, dass man Brot einfrieren kann (Anmerkung: Natürlich kann man es nicht einfrieren).

Hier zeigt sich der Clou des Ganzen.

Brot kann man nicht einfrieren“ ist eine Aussage die jeden gleichermaßen anspricht. Jeder hat etwas dazu beizutragen oder kann sich Gedanken dazu machen und jeder glaubt klar zu wissen, wie die eigentliche Antwort ist – der Satz ‚aktiviert‘ dabei eine breite Schicht an Personen. Ähnliches gilt für  starke Claims oder eine bissige Überschrift über einen Zeitungsartikel. Bleibt der Satz im Kopf, arbeitet an dir und sorgt dafür, dass du dich näher damit beschäftigen willst. Sonst wärst du jetzt nicht hier auf dieser Seite und würdest nicht googeln. Vielleicht würdest du den KV Roth oder Roth sonst gar nicht kennen.

Im politischen Kontext werden häufig solche Sätze verwendet, Wahlsprüche und Ideen die schön von Plakaten ragen und dort Themen ansprechen, die für jedermann und –frau greifbar sind. Themen wie Bildung, Rechtsstaat, Altersarmut und auch Migration bewegen, aktivieren und feuern an. Jede*r will etwas dazu sagen, jede*r weiß es noch ein Stück besser und jede*r hätte es bisher wesentlich besser gemacht. Die tatsächlich dahinterstehenden Forderungen und Pläne der Parteien interessieren dabei häufig nicht. Wahlprogramme werden unhinterfragt hingenommen, weil das Thema bereits so einfangend war, dass der tatsächliche Inhalt keine Bedeutung mehr hat. Häufig findet an dieser Stelle eine Versteifung statt, wenn die Partei X mit dem Kampf gegen die Migration wirbt, scheint es egal welche weiteren Eckpunkte im Wahlprogramm stehen.

Das geht soweit, dass sich Einzelpersonen so stark einfahren, dass jedes Argument und jede Diskussionsgrundlage sinnlos wird und statt über Inhalte nur noch auf Basis von Befindlichkeiten gestritten wird. Ehrlicherweise könnte die Antwort in vielen Diskussionen dann auch sein „Mir geht es nicht um den Inhalt des Wahlprogrammes, mir geht es darum dass die Partei mir zusagt. Ihre Claims und Plakatsprüche haben mich angesprochen und ich will eigentlich nicht inhaltlich diskutieren. Ich habe dazu meine Meinung, egal welche Argumente kommen.

Und hier schließt sich der Kreis mit dem Spruch „Brot kann man nicht einfrieren“.

Wenn du einmal in einer Diskussion gefangen bist, die dir keine Freude bereitet, versuch es einfach einmal mit dieser Aussage. Elegant angewendet, springen innerhalb kürzester Zeit alle darauf an und alles was du tun musst, ist deinen Standpunkt selbstbewusst und kalkuliert vorzutragen. „Nein, Brot kann man nicht einfrieren.“, „Man gefriert vielleicht das Wasser im Brot, aber nicht das Brot selbst.“, usw.

Du wirst schnell merken, welchen Spaß es machen kann. Argumente die auf dich einrieseln prallen an dir ab, weil du über jedes einzelne erhaben bist – es geht dir schließlich gar nicht um den Inhalt.

Ähnliches gilt aus unserer Sicht für politische Diskussionen. Wenn du merkst, dass es einer Person bei der eigenen Parteienwahl nicht aufgrund inhaltlicher Argumente wählt, verschwende deine Energie nicht mit allgemeinen Diskussionen. Du kannst in diesem Fall deine Argumente Reih um Reih vorbringen, sie werden doch nicht durchdringen – weil es der Person eben nicht um den Inhalt geht. Deine einzige Chance bleibt der Versuch, an einem Thema anzusetzen und hier eine sachliche Diskussion zu führen. Wenn die Person nicht darauf eingehen will, lass es sein. Sonst gönnst du ihr genau die Art von Genugtuung und Unterhaltung, die du selbst empfindest, wenn du in einer unliebsamen Diskussion den Satz „Brot kann man nicht einfrieren“ einwirfst.

Wir als fortschrittlichste aller Parteien haben uns bereits vor Jahren vom Thema Inhalte entfernt. Diese scheinen nicht mehr wichtig in der heutigen Zeit, die Wählenden entscheiden nach Emotionen, nicht nach Inhalten und Idealen.

Somit haben wir kein Problem damit, fest und überzeugt zu sagen: „Brot kann man nicht einfrieren“. Und da gibt’s auch nichts zu diskutieren.