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Samstag, 6. September 2014

Bettina Franke (Die PARTEI) – politisch frühreif (MAZonline 06.09.2014)

Babelsberg. Viele ahnten es gelegentlich schon, nun ist es amtlich: Politik in Potsdam trägt satirische Züge – konkret jene von Bettina Franke, die als Direktkandidatin für Die Partei ins Rennen um die Wählergunst geht. Eine Woche vor dem Urnengang startet die 2004 von Redakteuren des Satiremagazins „Titanic“ gegründete Partei die „heiße Phase“ des Wahlkampfes – das bedeutet:

Es werden überhaupt mal Plakate gehangen, auf denen Bettina Franke (mit orangeroter Bubikopfperücke und Puck-die-Stubenfliege-Sonnenbrille) im Kleingedruckten verrät: „mag Bananen und Gulasch“.

Lecker statt lahm: Die Partei sei zwar eine Satire-, aber keine Spaßpartei, stellt die gebürtige Cottbusserin („Das Thema Kohle liegt mir sehr am Herzen.“) klar. „Andere sind viel lustiger als wir. Die FDP hat ja einen besonders hohen Spaßfaktor. Oder kann man deren verstaubte Wortkombination und Forderung nach ,sozialer Marktwirtschaft’ ernst nehmen?“ Die Liberalen würden ihr „Projekt minus fünf Prozent plus x“ durchsetzen – nicht nur in Sachsen, auch in Brandenburg. Die Partei kratzt immerhin an der Ein-Prozent-Marke, tritt hierzulande erstmals an. Deshalb musste Bettina Franke zunächst Unterschriften sammeln, um die etablierte Polit-Konkurrenz herausfordern zu dürfen. 135 Potsdamer überzeugte sie. Ihr Ziel: Einzug in den Landtag! Was denn sonst? Der SPD-Genossin Klara Geywitz reichten 2009 für den Sieg im Wahlkreis rund 15.000 Stimmen „Wir sind die Partei, die an die Macht will. Da sollten für mich realistischerweise 20.000 drin sein“, sagt Bettina Franke, denn: „Ich bin seriös.“

Ins „Lindencafé“ bringt die 46-Jährige einen „Interims-Politkommissar“ der Partei mit, der hin und wieder eingreift, um das muntere Gespräch auf satirischen Pfaden zu halten. Erst im Juni gründete sich der Potsdamer Partei-Kreisverband, habe nun annähernd so viele Mitglieder wie eine „mittelgroße Familie“. Die Logopädin und Autorin mit der Partei-Mitgliedsnummer 15093 will wankelmütige oder wahlunwillige Potsdamer motivieren, überhaupt ein Kreuz auf dem Stimmzettel zu machen und der sich verbreitenden Ich-kann-eh-nix-ändern-Mentalität etwas entgegensetzen: „Vom Wahlrecht sollte jeder Gebrauch machen.“ Dass in Sachsen die Nichtwähler am vergangenen Sonntag in der Mehrheit waren, empfindet die Kandidatin als „absolut bedenklich“, warnt: Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf.“ An dieser Stelle versteht die Potsdamerin keinen Spaß. Zum Mitmachen in vorgeschriebenen Bahnen verspürte sie in der DDR keine Lust. Lange vor der Wende kehrte sie der Jugendorganisation FDJ und der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft den Rücken: „Ein Eintritt in die SED erübrigte sich damit.“

Wer sein Kreuz („ganz unten links“) bei Bettina Franke macht, bekommt vielleicht irgendwann den Oberleitungsbus zurück. „Ich kenne die Stadt noch mit O-Bus. Dieses Fortbewegungsmittel sollte wiederbelebt, dafür auf den Wiederaufbau der Garnisonkirche verzichtet werden.“ Und sonst? „Ich möchte alte Strukturen aufbrechen und Inhalte überwinden.“ Das sei klare Parteilinie.

 Von Ricarda Nowak MAZonline

Infos

Bettina Franke wurde am 11. April 1968 in Cottbus geboren. An diesem Tag schoss in West-Berlin der Hilfsarbeiter Josef Bachmann auf den Studentenaktivisten Rudi Dutschke: „Klar, dass ich an so einem Datum politisch werden musste“, sagt Bettina Franke.

Mit 16 Jahren verließ sie sowohl die Freie Deutsche Jugend (FDJ) als auch die Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF): „Ich war politisch frühreif.“

Die Logopädin und Autorin liest am 11. September, ab 20 Uhr, Gedichte bei der „Offenen Bühne“ im Café „11-line“, Charlottenstraße 119.

Die Partei (Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiativen) wurde 2004 von Redakteuren des Satiremagazins „Titanic“ gegründet. Bei der Europawahl 2014 schaffte Spitzenkandidat Martin Sonneborn den Einzug ins EU-Parlament. Zu den politischen Forderungen der Partei gehört etwa die Einführung einer „Faulenquote“.

Drei Fragen an… Bettina Franke

Info-Stände sind dieser Tage ja üblich, waren von der Partei in Potsdam bislang aber nicht zu entdecken. Wie machen Sie Wahlkampf?
„Da ich nicht von jedem Wähler gewählt werden möchte, stelle ich mich auch unter keine bunten Schirmchen. Mittlerweile ist es ja im Wahlkampf leider so, dass unschuldige Bürger von verhaltensauffälligen Scheinpolitikern auf offener Straße belästigt werden. Solch ein Verhalten ist für mich inakzeptabel. Selbstverständlich suche ich den direkten und diskreten Kontakt zum Wähler. Der persönliche Freiraum des Wählers ist das oberste Gebot für mich.“

Wer wäre denn überhaupt ein geeigneter Koalitionspartner für Sie?
„Ganz klar: Eine Koalition kommt nur mit denen infrage, die Spaß verstehen. Und das stellt in der heutigen Politikstruktur eine immense Herausforderung dar.“

Haben Sie das Satiremagazin „Titanic“ abonniert?
„Abonnentin bin ich zwar nicht, aber Leserin. Ich habe einen netten Nachbarn, der ist Abonnent und deshalb darf ich in der ,Titanic‘ mitlesen.“

Im Wahlkreis 21 tritt Bettina Franke gegen Klara Geywitz (SPD), Anita Tack (Linke), Wieland Niekisch (CDU), Marie Luise von Halem (Grüne), Alexander Gauland (AfD), Axel Graf Bülow (FDP), Torben Reichert (Piraten) sowie Wolfgang Cornelius (BVB/Freie Wähler) an.