Dezember 22: Kreistag on Ice

Ein laues Lüftchen beschert uns nach arktischen Tagen (Klimawandel!!111!!) Tauwetter mit Eisregen. Genau der richtige Tag für eine Haushaltsdebatte. Ob es heiß wird oder eiskalt und wer wen aufs Glatteis führen will, klärt sich an diesem Nachmittag. Eines steht fest: man rechnet mit einer längeren Sitzung. Es gibt Suppe. Und Worscht.

14:02 Uhr. Absolut liederliche Einstellung so kurz vor Weihnachten. Wir sind empört. 2 Minuten unserer kostbaren Faulenzzeit passiert – nichts.

Wenden wir uns flugs den Dingen zu, die vor der Sitzung geschahen:

Die AgD (AfDings) möchte gerne wissen, wie viele geflüchtete Menschen aus welchen Ländern und in welchem Alter pro Woche zu uns gekommen sind. Da fragt man sich, warum sie nicht gleich die ganze Liste fordert einschließlich Wohnort und Telefonnummer. Insgesamt aber muss man der AgD aber einen gewissen Fleiß anerkennen: 17 Einzelfragen einschließlich der Frage nach den Öffnungszeiten der Toiletten im Landratsamt – alle

Achtung. Und bevor die AgD noch fragen kann, wie viele Pömpel im Notfall zur Verfügung stehen, fangen wir doch lieber an mit dem Haushaltsbumms.

Wie immer erst Abstimmungsmarathon. Darunter einige Highlights. Vieles wird aber auch einfach nur zur Kenntnis genommen. Zum Beispiel die Aufnahme eines Pauschaldarlehens über fast 2 Mille. Unser Gegenvorschlag eines Pauschalurlaubs wurde leider ignoriert. Als nächstes der Sachstandsbericht zur Umsetzung des DigitalPaktes an den Schulen des Kreises. Der konnte leider nicht gezeigt werden, der Overheadprojekt war kaputt. 3 Millionen wurden für Kabel ausgegeben, 3 Millionen für interaktive Tafeln mit Playstation 4-Anschluss, 800.000 Euro für WLAN, 240.000 für mobile Endgeräte. Letztere heißen mobil, weil die Hälfte davon nach 1 Jahr verschwunden sein werden.

Der Beteiligungsbericht des Kreises macht uns stolz. An was wir alles beteiligt sind. Riedwerke. Abfall-Wirtschaft. Hessenwasser. Stromnetze. Kreissparkasse. Usw. Uiuiui. Und eine Menge Posten für die Kreistags- und Kreisausschussmitglieder. Hut ab. Blöderweise haben wir keinen auf.

Wahl einer Schriftführung. Hatten wir das nicht schon vor kurzem? Vermutlich ist der bisherigen Schriftführerin einfach die Tinte ausgegangen (Sparmaßnahmen, Inflation etc. etc. etc.).

Der Jahresabschluss 2015 ist nun auch geprüft. Langsam wird es eng. Wenn wir weitereinmal pro Sitzung eine Prüfung hinter uns bringen, gehen uns Ende nächsten Jahres die vergangenen Jahre aus.

Vor Weihnachten werden auch wieder viele schöne und besinnliche Geschichten erzählt, oder wie es hier heißt „Debatten mit Aussprache“. Schulentwicklungsplan: das Hessische Kultusministerium will nicht, dass die Mittelpunktschule Trebur in eine integrierte Gesamtschule verwandelt wird. Begründung: es gibt ausreichend Schulplätze in zumutbarer Entfernung. Schüler müssen eben beizeiten lernen, dass man morgens zum Arbeitsplatz pendeln muss. Mindestens eine halbe Stunde. Außerdem gibt es die Hoffnung, dass beim Transport ein paar Grundschüler überfahren werden und das Problem auch nicht in Zukunft auftritt, obwohl wir seit Jahren steigende Schülerzahlen im Kreis haben. Und es wurden 5,5 Stellen für IT-Supportpersonal besetzt. Befristet bis 2023. Für Tarifgruppe „gestern Nacht geweint, als ich meinen Gehaltscheck sah“. Komisch, dass der Rest nicht besetzt wurde.

Die sPD bricht eine Lanze für die Bildung beim Schulentwicklungsplan. Und erhebt – sehr zur Freude der eigenen Fraktion – das Florett gegen die €dU. Die Angesprochenen reagieren derzeit noch mit Pokerface. Wir rechnen aber demnächst mit schmissigen Paraden. Nicht zur Bildungspolitik, wie die sPD mutmaßt. Es bleibt spannend. So wie es sich anhört, scheint die €dU eine bildungsferne Partei zu sein. Der weitere Verlauf der Sitzung (von dem wir jetzt natürlich noch nichts wissen), scheint es zu beweisen. Bevor der Redende der sPD platzt, wünscht er uns fröhliche Weihnachten. Oh, gut, können wir nach Hause?

Nein. Die Spaßpartei hat was zu sagen. Irritierenderweise hört man heute ein sehr unweihnachtliches Meeresrauschen als mikrofonisches Störgeräusch. Hektisch wird nach dem Fehler gesucht. Schade, das Rauschen ist so schön meditativ. Auch eine der Volksfronten möchte mitmeditieren. Wir hören vor lauter Rauschen leider nichts. Wer aufmerksam die Nachrichten verfolgt hat, weiß, dass das Mikrofon nach Nutzung an Frau Lambrecht verschickt wurde.

Nun geht es um häusliche Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Sicherheitshalber zählt die Rednerin der sPD noch einmal allen Anwesenden die unterschiedlichen Formen der Gewalt gegen Frauen auf. Sicher ist sicher, links von uns (also eigentlich rechts) könnten da eventuell noch Wissenslücken herrschen. Die Linken setzen noch eins drauf, um das Thema in die Köpfe zu bimsen. Mal sehen, ob es funktioniert.

Auch ein Mann (sic!) einer der Volksfronten möchte was sagen. Ihm fehlen die Zahlen, um dem Bericht Glauben schenken zu können. Wir empfehlen, einfach in jedem Haushalt in GG mal zu klingeln und nachzufragen. Das wird sicher ergiebig.

Vor dem Haushalt wird von den Häppchen gesprochen. In 8 Minuten stehen sie auf dem Buffet. Nach dieser aussichtsreichen Ankündigung springt der Chef leichtfüßig von der Bühne und beginnt um 14:53 h mit einer Anspielung auf unsere Gratismentalität, den Haushalt zu erklären. Er scheint sich zu freuen, dass sich alle mit ihm darüber streiten möchten. Also über den Haushalt. Gratismentalität geht natürlich klar.

Nicht um den heißen Brei rumreden. Auch der Chef denkt nur ans Essen. Ob wir ihm was von draußen mitbringen sollen? Die Steigerung der Papierkosten sei immens. Wir verweisen gerne darauf, dass man den Haushalt nicht ausdrucken braucht. Auf Nachfrage haben ca. die Hälfte der Abgeordneten ein gedrucktes Exemplar bestellt. Das sind schön gerechnet 35,5. Mal 606 Seiten. Das sind 21.513 DIN A4 Seiten, die man eigentlich den Schulen zur Verfügung stellen könnte für ihre Overheadprojektoren. So viel zum Stand der Digitalisierung in unserem Kreis. Auf der anderen Seite: niemand weiß, wann wieder Klopapier knapp wird. 15:09 Uhr. Ob wir mal die Häppchen checken? Nein, wir hören uns Zitate aus Briefen an. Über Verantwortung. Bei der Betreuung. Der aktiven und der schweigenden Opposition? 🤔 Und wer nach Streit fragt, bekommt anscheinend auch welchen, der Rundumschlag gegen die €dU wird weitergeführt. Das Rauschen des Mikrofons wird durch Säbelwetzen abgelöst.

Die €du möchte den Haushalt nicht, so viel wissen wir. Aus ihrer Rede (vielleicht):

„Der von Landrat Will eingebrachte Haushalt ist in der vorliegenden Form nicht genehmigungsfähig und rechtswidrig. Rechtswidrig – damit kennen wir uns aus!  Deshalb bittet die €dU -Fraktion diesen Haushalt an den Kreisausschuss zurückzuweisen, damit er diesen überarbeitet, um einen genehmigungsfähigen Haushalt aufzustellen und einzubringen.

Der vorliegende Entwurf weist ein Minus von 22,8 Millionen Euro im ordentlichen Ergebnis aus, dass im Jahr 2023 noch die Rücklagen ausgeglichen werden kann. Aber wenigstens ist das Ergebnis ordentlich! Das ist uns sehr wichtig! In den folgenden Jahren wird dies nicht mehr möglich sein, da die Rücklagen aufgebraucht sein werden. Der Finanzmittelfehlbedarf beträgt 41,9 Millionen Euro. 42 Millionen! Damit kann man beinahe 4 Maskendeals mit Mitgliedern unserer Schwesterpartei machen! Da muss die kleine Hausfrau, äh das alte Mütterchen, lange für stricken! Dies alles hat zur Folge, dass der vorliegende Entwurf schlicht und ergreifend nicht genehmigungsfähig ist, wie auch unsere Rede. Danke.“ Was sie wirklich sagen? Wüssten wir auch gerne, aber der Chef spricht noch (15:22 Uhr). Ist der Kreis Groß-Gerau böse, weil er keinen ausgeglichenen Haushalt hat? Wohl kaum. Er wäre böse, wenn er keine ausgeglichenen Mandatsträge hätte.

Der (stattliche) Mann aus Riedstadt tritt mit hochrotem Kopf ans Rednerpult und macht sich auf, seine Version der Weihnachtsgeschichte zu erzählen. Hui, da hat sich jetzt was angestaut. Er holt weit aus. Kommt mit dem Grundgesetz. Die €dU als Retterin der „kleinen Leute“? Naja, die Erneuerung beginnt ja nachweislich immer an der Basis. Irgendwie scheint das alles für die €dU so zu sein, als hätte sich der Chef vor dem Regierungspräsidium auf die Straße geklebt. Das geht natürlich gar nicht.

Unser Antrag für die nächste lange Sitzung: Eine strenge Trennung des Kartoffelsalats von den Frikadellen, Veggismiley. Wir teilen die Komponenten spontan mit einer Mauer auf und verzehren sie getrennt.

Interessanterweise möchte die €dU nicht mehr mitspielen, wenn der Haushalt nicht zurückgewiesen wird. So geht Demokratie! Da wir nun den Antrag abgelehnt haben (ja, auch wir, denn wir geben gerne Geld aus, das uns nicht gehört – und zwar mit beiden Händen, was in unserem Fall 4 sind), wird die €dU (für immer?) Schweigen. Spannend. Und irgendwie auch schön, weil so andächtig weihnachtlich. Gehen die jetzt? Zumindest einige tun es, vermutlich aber nur bis zum Buffet.

Auch die Grünen sind über diesen Schachzug etwas verwundert, würde aber gerne mit der €dU über den Haushalt reden. Freuen sich auch, dass wir hier keine Schattenhaushalte hätten, aus denen Mitarbeitende bezahlt würden. Man ist stolz auf den Kreis.

Bei einem Blick nach links (also rechts) fällt die geschlossene Abwesenheit der AfDings auf. Die haben sich sicher mit der €dU am Buffet festgeklebt. Könnte das schon auf die Bildung einer kriminellen Vereinigung hinweisen? 🤔

Nun die Spaßpartei. Noch wollen sie mitreden… Lobeshymnen auf die Verwaltung gehen raus. Aber die werden nicht zur Redezeit gerechnet. Rechnen – kein Kompetenzbereich der Spaßpartei. Mal wieder eine lustige Klingelton-Untermalung der Spaßrede. Der Haushalt schädige das Ansehen des Kreises, so die Spaßpartei, der Klingelton auch, so Die PARTEI. Am Rande: Wir wissen jetzt, warum die Hälfte einen Ausdruck des Haushalts haben wollten. Uns stürzt schon zum zweiten Mal Acrobat ab, als wir im Haushalt blättern. Hat er etwa eine Rechtssicherheits-Schranke eingebaut?

Die Volksfront von Judäa (oder die andere Front) findet den Haushalt erst so ab 2024 beunruhigend. Es sei kein Sparwill(e) erkennbar. Und wie Überschüsse generiert werden sollen, versteht man auch nicht.

Wir (die PARTEI) empfehlen die Fraktionsmittel der €dU (schwarze Koffer), der Spaßpartei (der Markt regelt das), den Volksfronten (innere Zerstrittenheit) und der Afdings (Schweizer Gold) aus Spargründen zu Gunsten des Haushaltes zu streichen. Als Provision nehmen wir 10 % der Ersparnis. Da nicht für.

Die Linke stellt fest: es wird finster. Der Blick nach draußen bestätigt diese Befürchtung. Wir finden: Frau B würde auch als Pfarrerin eine extrem gute Figur machen. Ihre Predigt (auch an die €dU) ist sehr eindringlich. Die sakrale Stimmung – gepaart mit dem schwindenden Tag – stimmt die Massen allerdings etwas schläfrig, wie es scheint. Büchner selbst wird schließlich bemüht, um uns wieder aufzurütteln. Alles in allem eine sehr stimmungsvolle Weihnachtsgeschichte. Halleluja. Und Amen.

Die €dU ist übrigens immer noch physisch anwesend. Selbstverständlich hinter der eisigen Wand des Schweigens. Oder hören wir da ein trotziges Fußaufstampfen?

Ansonsten hält sich die Debatte an unser sehr gutes Motto „Inhalte überwinden“. Wir müssen nichts weiter tun (Faulenquote!), denn: Die PARTEI wirkt. Gibt es eigentlich keine Redezeitbegrenzung mehr, fragt sich der ein oder andere sicherlich? Nein. Heute Leider nicht. Seufz.

Die sPD nimmt den Faden auf. Wir kommen vom Buffet zurück und vernehmen, dass das schweigende Riedstadt ebenfalls 23 neue Stellen im Magistrat besetzen möchte. Ach was. Vielleicht lehnt der Bürgermeister sich am Ende noch selbst ab. Sie, die verschnupfte sPD, will nicht mit der €dU reden, weil die (€dU) nicht mitmachen will, ähnlich wie die AfDings, mit denen will aber auch niemand nie was machen. Alles im Lot also.

Dann endlich Abstimmung. Die €dU beteiligt sich nicht daran, glänzt aber durch renitente Präsenz. Dieses Konzept „Demokratie“ ist ja auch wirklich unerträglich! Auf der anderen Seite ist das die bekannte Kindergarten-Basis-Demokratie: „Ich spiel nicht mehr mit!“ Wenn das alles nicht so traurig wäre, würden wir lachen. Aber dazu gehen wir bekanntlich in den Keller. Wir geben deshalb lieber das Geld mit vollen Händen aus. Wir glauben mittlerweile, dass einfach nicht genügend Beratungsverträge und andere „Deals“ im Haushalt stehen, sonst hätte die €dU sicher ihre Förmchen mit allen geteilt. So herrscht im Sandkasten heute keine Vielfalt. Oder anders gesagt: die €dU kriegt keinen mehr hoch. Keinen einzigen Arm, weder bei Ja, noch bei Nein, noch bei Enthaltung. Man hätte vielleicht die Frage „Wer hätte gerne noch ein lukratives Pöstchen?“ bringen müssen.

Hui, die €dU beteiligt sich zwischendurch mal an der Abstimmung einesSpaßpartei/Volksfront-Antrags. Das ist ja fetzig. Bleibt aber eine Eintagsfliege. Nun nur noch eine Verabschiedung. Da gibt es Standing Ovations – sogar von der €dU. Dann heißt es: Endlich Weihnachten! Und wir freuen uns schon auf nächstes Jahr und haben die leise Hoffnung, dass die €dU vielleicht keine Lust mehr hat, mitzumachen.