Georg Büchner war ein erstaunlicher Mann. Er wurde gerade mal 23 Jahre alt, war Schriftsteller, Medizinär, Revolutionär und Komparativ („Ich lese ein Buch“ – „Aber ich lese Büchner“) und hat eine Menge Schulen, Straßen und Gebäude gebaut. Oder bauen lassen. Zumindest sind wir heute in seinem Saal. Die Revolution bleibt allerdings aus.
Trotzdem eine euphorische Begrüßung: Scharen von Schüler:innen begehren Einlass zu dieser für sie anscheinend wichtigen Sitzung. Nehmen wir ihnen mal nicht die Verve, dass hier eh niemand auf sie hören wird. Die €dU sucht künftige Letztwählende (auch unter den Eltern), die anderen suchen Ärger, gute Argumente oder ihren neuen Platz als Opposition und wir wollen wie immer das Geld mit vollen Händen ausgeben.
Die AfDings hätte die Schülerinnen gerne wieder raus und beantragt daher eine Vertagung des Tagesordnungspunkts. Es wäre auch zu schrecklich, wenn die Interessierten informiert und nicht aufgehetzt werden könnten. Begründung: Es fehlten Informationen. Nun, wir würden mal sagen: was wir jetzt noch nicht wissen, werden wir später auch nicht wissen.
Die lieben Eltern haben 500 UU gesammelt (Hut ab), damit keine Container nach Ginsheim kommen. Wir werden sie rekrutieren für die nächsten PARTEI-Unterschriften-Sammlungen. Das steht schon mal fest.
Dann wird debattenlos abgestimmt. Und gewählt. Wir haben da die Übersicht verloren. Irgendwas wählen wir ja immer. Soweit alles beim Alten.
Dazu passend: Der Lebenslagebericht für ältere Menschen. Mit Handlungsempfehlungen. Sowas wie „Wählen sie €dU oder sPD, das hat sich bewährt“. Schauen uns im Saal rum. Viele dürften die Handlungsempfehlungen demnächst brauchen. Die Linke will sich in Anwesenheit der Jungend öffentlich noch mehr um Alte kümmern. Mutig.
Sie stellen dazu fest: Wir arbeiten nicht zum Spaß. Oder frei nach Karl Marx, jeder bringt sein Kapital ein. Na, wenn’s einer hat, dann die Alten. Aber die sollen doch auch noch was vererben! Das darf auf keinen Fall alles in die Pflege fließen. Man müsse Kommunen finanziell stärken. Uns kommt der Verdacht, dass man eher Landtags-/Bundestagsabgeordnete hätte einladen sollen und keine Schüler:innen.
Die Zeugen, äh, Volksfront von Judäa oder die judäische Volksfront will die Schüler:innen ebenfalls provozieren. Verrückt. Publikumsbeschimpfung bringt immer Aufmerksamkeit. Das ist modern. Seit mindestens 200 Jahren.
Außerdem: Der Wirtschaftsbericht ist da! Die Beschäftigung im Kreis steigt. Die Bevölkerung wächst. BIP und BWS auf Spitzenniveau. Wenn uns jetzt noch jemand sagen könnte, warum die AfD im Kreis so viel Stimmen bekommt …
Gong! Die Schlacht um die Schule beginnt. Es geht um ein Mittelstufengymnasium, das gebaut werden soll. Bis dahin wird containert in Gi-Gu. Die sPD beginnt…
… mit geschickt emotionaler Einleitung. Dann die Fakten. Kapazitäten. Und ehrliche Eingeständnisse. Huch, spricht da wirklich die sPD? Sie hält den Plan für alternativlos. Zähnegeknirsche bei der €dU: man hätte sich den Begriff damals schützen lassen sollen. Alternativlos sollte noch so einiges mehr sein, finden wir.
Während der Schuldebatte, ertönt Glockenspiel von der Verwaltungsebene, leider kein Stundenklingeln. Wir müssen sitzenbleiben.
Jetzt bekommt noch die €dU ihr Fett weg – sehr schön, sie scheinen zuzuhören und empören sich. Popcorn für alle! 🍿
Die Schüler:innen und die €dU wollen keine Container. Vielleicht helfen kostenlose Kameras und das Versprechen einer Karriere als C-Promi in Internetz, um diese Meinung zu ändern?
Nun die knapp gescheiterte Bürgermeisterin Groß-Geraus von der judäischen Volkfront oder der Volksfront von Judäa. Sie kommt nun auch mit einer Oberstufe. Soll sie sich doch die Räume mit der Mittelstufe teilen. Die Oberstufler:innen sind ja größer, die können ihren Unterricht dann einfach im Stehen abhalten, während die Mittelstufler:innen sitzen. Lange Schulwege sind ebenfalls zu vermeiden. Was sollen denn die Schüler:innen später ihren Kindern erzählen, so wie jetzige Eltern, die einst einen Weg von Worms nach Canossa hatten?
Nun macht die Spaßpartei Witze. Im Vordergrund klingelt passend dazu ein lustiges Mobiltelefon. Wir hätten jetzt gerne einen Container (mit Bar), in dem wir uns verstecken können. Auch der Nachwuchs der sPD quengelt hörbar. Sie scheint sich schon mal um einen Mittelstufengymnasiumsplatz zu bewerben.
Die Spaßpartei will ihren Chef in Berlin nach Geld fragen. Hoffentlich haben sie genug Grundkapital. Notfalls könnte man ja auch einen Porsche veräußern zur Zwischenfinanzierung.
Der Schülerpraktikant der Verwaltung, der oben auf der Bühne sitzen muss, macht komische Gesichter. Vermutlich nimmt er sich vor, die nächste Praktikumsbewerbung früher zu verfassen, damit er das nächste Mal einen anständigen Platz in einem ernstzunehmenden Etablissement bekommt. (Spoiler: Auf Nachfrage nach der Sitzung antwortete er, dass er das alles mega-spannend fand. Diese Jugend! Wir sind verloren!)
Nun der €dU-Nachwuchs. Der freut sich schon, dass die sPD demnächst Teil der neuen Groko-Haram in Hessen wird. Außerdem klingt es so, als würde die €dU nun zur Rächerin der integrierten Gesamtschulen. Ja, das ist ihre klassische Kernkompetenz. Und das Handwerk stärken sie auch noch mit Reparaturen an und in der IGS Mainspitze. Ok, nun wird es brandmauergefährlich – die €dU übernimmt offiziell die Haltung der FCK Afdings.
Noch dazu will sie mehr Kommunikation. Wir erinnern an vergangene Sitzungen als sie nicht mitkommunizieren wollte.
Die Linke ist dagegen. Wir sind verwirrt. Eltern wollen doch sowieso, dass alle ihre Kinderchen auf ein Gymnasium gehen, ob diese nun wollen oder nicht. Warum also nicht ein Mittelstufengymnasium? Da kann doch erstmal jede:r hin. Die Linke demonstriert hier eindrucksvoll den Verfall der Bundeslinken im Kleinen. Wo ist Frau Wagenknecht, wenn man sie braucht?
Aber Bildung, die nix kostet, wird anscheinend nicht geschätzt. Man sollte endlich wieder Gebühren für Schulen einführen oder Sponsoren aus der Wirtschaft für Schulbau und Unterricht finden. Außerdem ein Porsche für alle Schüler:innen, damit sie morgens nicht mit dem Pöbel im Bus fahren müssen. Oder dem langweiligen SUV der Eltern.
Klar, dass die Grünen als neue Oppositionspartei hier auch noch mal ranmüssen. Es geht viel um Lenkungen. Wohin die führen, wird nicht klar.
Wir sind für eine gymnasiale Mittelstufe für alle, denn das E in PARTEI steht bekanntermaßen für Elitenförderung! Zur Entspannung der Lage (zu viele Schüler:innen, kein Platz mehr in Rüsselsheimer Schulen) empfehlen wir Großraumunterricht in leerstehenden Gebäuden auf dem Opel-Gelände. Das ist (wenn der Aufzug am Bahnhof funktioniert) auch recht barrierefrei zu erreichen, sowohl mit Porsche als auch mit ÖPNV. Danke für nichts!
Können wir jetzt bitte abstimmen? Nein, die Spaßpartei mag noch ein paar Witze machen. Unser Unwort des Jahres: Schulfrieden.
Oh, Frau H. von der AfDings hatten wir ganz vergessen. Sie fühlt sich bestätigt, dass es Diskussionsbedarf gibt. Zeit bis zum verheddern der Worte: ca. 35 Sekunden. Wir verstehen wie immer: keinen Sinnzusammenhang. Oh doch: Die Eltern dürfen diktatorisch entscheiden! Jedem die seine Schule! Das passt ja. Jetzt wird es aber wieder so wirr, dass allgemeine Unruhe aufkommt. Hohe Abschlüsse nützen nix. Oder Abschlüsse. Oder überhaupt denken. Denken ist das Problem! Deswegen hat die AfD das Denken bereits eingestellt.
Der Chef will das alles nicht ohne Kommentar auf sich sitzen lassen und springt wie ein junger Hirsch von der Bühne zum Rednerpult. Er berichtet aus seinem Leben als Landrat und beruft sich auf das Prinzip: Eine gute Statistik ist eine, die man selbst fälscht und weist darauf hin, dass die Statistik zur Schulentwicklung künftig vom Kreis selbst gemacht würde.
Bitte endlich abstimmen. Wir müssen mal für kleine Politiker:innen. Ist erst 15:30, fühlt sich aber an wie 19 Uhr. Die sPD fühlt sich schon wie um 22 Uhr, hören wir gerade. Egal, wir bauen jetzt ein Mittelstufengymnasium in Bischofsheim. Bis zur Fertigstellung wird die Elite in Containern untergebracht.
Dann wird ausgewertet: Es gibt 17 potenzielle Flächen für Windkraft im Kreis. Mal schauen, wer als erstes jammert, wenn das bekannt wird. Besser schnell noch ein Förderprogramm Erneuerbare Energien, bevor plötzlich wieder die nicht erneuerbaren gefördert werden.
Eins steht fest: Wir kämpfen mit Windmühlen gegen Fluglärm. Der Mann von der sPD goutiert es allerdings nicht, dass die Schüler:innen bei diesem wichtigen Thema den Raum verlassen. Wir sind neidisch. Die haben jetzt frei. Aus Verzweiflung gönnen wir uns Kuchen. Danke nochmal dem Spender, der einen 1a Rotweinkuchen kann und weiß, wie man Alkohol standesgemäß in den Plenarsaal bekommt. 🥰
Auch die Volksfront von Judäa (oder die judäische Volksfront) will Wind machen. Und Energie vor Ort haben. Wir empfehlen erneut, die heiße Luft aus dem Plenum zu nutzen.
Als hätte er es gehört, begibt sich ein Mann der AfDings nach vorne. Wir kennen ihn nicht. Müssen wir auch nicht. Er holt weit aus und gibt sich pseudowissenschaftlich, verwechselt aber On-Shore mit Off-Shore. Da der Kreis Groß-Gerau eine Insel ist, macht das aber nix. Er stellt auch fest, dass der Wind keine unendliche Energiequelle ist. Das stimmt soweit, hat aber auch noch nie einer behauptet. Die AfDings will mit ihrem ScheiX anscheinend die Biogasproduktion steigern, um damit zur Energiewende beizutragen. Und wir fragen uns, ob der Mann bis zum Ende der Legislaturperiode durchhält oder der nächste Aussteiger sein wird.
Dafür, dass wir diesen Bericht nur zur Kenntnis nehmen, wird hier wieder viel Zeit investiert, die uns von einem frühen Feierabend fernhält. Die Grünen bestechen mit schönen Wortspielereien. Üben schon mal Opposition.
Wir regen an: Wenn doch nicht genug Wind durch den Kreis wehen sollte, empfehlen wir die vollständige Überdachung des Kreises mit PV-Anlagen. Zumal Rüsselsheim noch einiges an unversiegelter Fläche besitzt, die zum 1. Platz bei der Versiegelungsrate fehlt. Win win win.
Herr K. von der €dU macht uns Sorgen. Sein Anzug sagt: konservativ. Sein hochroter Kopf: sPD. Ist das diese neue große Koalition, die im Raume schwebt? Passenderweise hat er Fragezeichen zur Windkraft und will weitere Gutachten. Sicher kennt seine Partei ein paar gute Firmen dafür.
Herr K. von der sPD sieht das weniger streng und trägt heute fast schon PARTEI Outfit. Wir sind begeistert. Notiz an uns: nächste Mal die passende Krawatte für ihn mitbringen.
Der heutige Gewinner in der Rubrik „lustigster Klingelton“: Die AfDings.
Während die Spaßpartei und die judäische Volksfront (oder die Volksfront von Judäa) sich zum Förderprogramm Erneuerbare Energien äußern wird klar: Es soll zwar erneuerbar Energie erzeugt werden, aber es darf nix kosten. Sparen, sparen, Haushaltsjahr. Das bekräftigt auch der Mann mit dem konservativen Anzug.
Haushalt! Haushalt! Haushalt! Dabei haben wir doch gar keinen. Wir reden also von etwas, das es nicht gibt. Fast wie beim Klimawandel. Debatten im luftleeren Raum. Quasi Kreistagssitzungen im Sommer.
Die Grünen beginnen mit der sehr entspannten Predigt. War da noch mehr als Rotweinkuchen im Spiel? Im Namen des Vaters, des Sohnes und des kleinen Kindes in der ersten Reihe.
Doch der Stachel sitzt tief im schwarzgrünen Herz. Die Grünen haben sich so sehr verbogen im Landtag, sie passen gar nicht mehr in die Oppositionsrolle. Müssen sie hier auch nicht, was ein Glück. Komfortzone ist ja auch schön. Aber auch die sPD hat bereits mit den Dehnübungen begonnen, um den Grünen in der kommenden groß-kleinen Koalition in nichts nachzustehen.
Während die Linken die sozialen Kürzungspläne im Bundeshaushalt zurücknehmen wollen – Scholzi wird bestimmt auf uns hören, wenn wir ihn anschreiben – möchte die €dU über das Schreiben des Finanzministeriums Hessen reden. Und zwar dringend.
Mit Speck fängt Frau B. von den Linken derweil rechte Nagetiere, die sich lautstark über ihre politische Einordnung mokieren. Frau H fühlt sich angesprochen. Wacht aus dem Tiefschlaf und reckt den Arm. Manches bekommt man einfach nicht raus. €dU und Spaßpartei fühlen sich ebenfalls vom Klassenkampf angegriffen. Brandmauer zu allen Seiten.
Vermögenssteuer. Der verarmte Landadel rumort und verlässt den Raum. Wahrscheinlich um den Bestand an heimischen Fackeln und Mistgabeln zu checken, falls es zum Äußersten kommt.
Leute, es ist schon 16:20 – merkt das keine:r außer uns?
Frau H. will sich nicht mit Nagetieren vergleichen lassen. Wer hat denn gesagt, dass SIE gemeint ist? Sie fordert: Sonderposten! Wir sagen: Alles muss raus! Vor allem die AfDings.
Der sPD-Nachwuchs hat auch schon Schluckauf. Immer wieder „Krieg“ in den Redebeiträgen. Vielleicht sollten wir eine Friedenspfeife im Kreistag kreisen lassen. Dann ginge auch der Schluckauf weg.
Die Linke wird darauf aufmerksam gemacht, dass sie nur noch 2 Minuten 30 Redezeit hat. Wir werden in der letzten Sitzung der Legislatur unsere gesamte Redezeit aus 5 Jahren auf einmal ausreizen! Versprochen!
16:37 Schluss Juhu.