Otto Mohl fühlt sich wohl mit Atomstrom. Otto Mohl ist nämlich kein Büttelborner.
Heute: Sondersitzung. Biblis möchte ein bisschen Müll bei uns loswerden. Was im Kreis natürlich von allen (mit gesundem Menschenverstand) mit Unverständnis aufgenommen wird. Wir sehen das etwas differenzierter und strahlen natürlich. Dazu weiter unten mehr.
Aber erst einmal müssen wir loben. Den tollen Service der Kreisverwaltung. Unsere Computeraffinität wurde heute mit einer eigenen Steckdose am Tisch belohnt. Danke! Wir messen sofort, ob sie mit Atomstrom betrieben wird.
Nun aber zu oben. Wie immer glänzen wir mit einem sehr konstruktiven Vorschlag. Im Gegensatz zum Koalitionsantrag, der einfach nur dagegen ist. Wir schlagen ein für alle Beteiligten gleichermaßen wegweisendes Konzept vor: Man belässt den strahlenden Bauschutt etc. vor Ort und errichtet dort einen Abenteuerspielplatz à la Tschernobyl (gilt für alle anderen deutschen Abwrackwerke auch). Auf unserer schönen Mülldeponie in Büttelborn werden wir zusätzlich aus wissenschaftlichen Gründen einen Kontrollgruppen-Abenteuerspielplatz mit angegliedertem Kindergarten errichten. Dieses Szenario ist über die nächsten Jahre messend zu begleiten.
Das ist selbstredend eine Win-Win-Win-Situation. Wir unterstützen die Wissenschaft in einem zukunftsträchtigen Forschungsgebiet, ermutigen zur Bewegung an der frischen Luft in beiden Kreisen und fördern den Tourismus, indem wir Tourismusmagneten für die Gesamtregion Bergstraße-Ried schaffen. Das Ganze ist zudem sehr klimaschonend, weil für zahlreiche Abenteuertouristen nun die Flüge nach Tschernobyl wegfallen.
Aber nun zur Sitzung. Beim Blick in die Runde fällt auf: Erstaunlicherweise fehlen so einige Grüne. Das Thema war ihnen wohl nicht wichtig genug. Ist ja auch nicht ganz ihr Fachgebiet. Vielleicht sind sie aber auch unglücklich darüber, dass bei der Infoveranstaltung vor einer Woche eine grüne Umweltministerin und eine grüne Regierungspräsidentin die Lagerung von strahlendem Abfall verteidigen mussten, den sie nie verursachen wollten. Man weiß es nicht.
Die Antragstellenden (Die „Kein-Bio-Müll-aus-Biblis-bei-uns-im-Kreis-Fraktion“) verweisen darauf, dass die Idee totaler Schutt ist. Nicht nur wegen der in der Deponie Arbeitenden.
Wobei, der Bio-Kompost, der aus der Deponie kommt (kann man käuflich erwerben), lässt die Pflanzen dann zukünftig bestimmt größer werden. Und im Dunkeln leuchten. Vielleicht auch ein nachhaltiges Konzept für den Schnelle-Gurken-Brüter im XXL-Gewächshaus. Oder wir errichten für die Verursachenden dieser Misere (in Gesamtdeutschland, also West) – so sie noch leben – ein schickes Senioren-Stift aus dem Biblis-Bauschutt. Ist ja eh bio (siehe EU) und das ist doch fein.
Wir verstehen die lange Rede nicht (Beginn immerhin 16 Uhr, eigentlich die perfekte Zeit für einen Sundowner). Eigentlich ist das doch eine „Rein – Abstimmen – Raus“-Angelegenheit. Aber das ist uns nicht gegönnt. Jede:r muss sich gewissenhaft positionieren. Was sollen sonst die Wähler:innen denken.
Eine der Volksfronten beginnt mit der Beschwerde über die kurze Vorbereitungszeit (eine Woche!1!!111). Und über die lange Leitung des Kreis Bergstraße, die sich seit 2011 nach einem netten Plätzchen hätten umsehen können. §29 Kreislaufwirtschaftsgesetz wird jetzt auch noch gewürdigt. Dafür, dass die Zeit zu kurz war, um sich zu informieren, ist die Rede erstaunlich lang.
Nun die €dU in ihrer Reinform (doch recht alter weißer Mann). Freut sich über die protestierenden Bürger:innen vor der Deponie. Vermutlich, weil sich dort keiner festgeklebt hatte. Dann wäre hier aber was los. Wir überlegen kurz: Welche Partei war eigentlich immer für Atomstrom? Hat aber keiner gesagt, dass man dann mit dem Müll leben muss.
Nebenbei wieder eine Horrorshow der hässlichsten Klingeltöne von den konservativen Sitzen, für die die Sitzung wohl auch recht überraschend kam. Vermutlich haben sie ihr Jamba-Sparabo reaktiviert.
Derweil bahnen sich GrokoHaramsche Bündnisse an. Warum reden wir dann noch? Könnten längst bei Wein und Keksen sitzen.
Und damit wir nicht so schnell wieder am Stammtisch sind, fasst die Linke nochmal schnell zusammen, worüber sich alle (?) einig sind.
Erstaunlich schweigsam zeigt sich indes die AfDings. Bei einem Blick in die Annalen bemerken wir: wieder eine weniger. Die Vertreterin des Hessischen-Mundart-Bundes hat die Fraktion bedauerlicherweise verlassen, sie wurde durch einen weißen Mann ersetzt. Nun hält allein Frau H. noch die Feminist:innen-Fahne hoch.
Zurück nach Links. Die Landesregierung brauche eine gute Alternative. Da rennen sie bei uns offenen Türen ein. Ach was, die 10 Mikrosievert sind auch wirtschaftlich getriggert verabschiedet worden als Grenzwert? Da wären wir ja nie draufgekommen.
Nun nochmal die sPD? Ah, der Bürgermeister von Büttelborn. Er hat noch was hochemotionales. Die Brände, die gerne mal auf der Deponie ausbrechen. Da will man keinen Atomschutt dabeihaben. Obwohl das vielleicht die Heiz- bzw. Stromkosten im Kreis reduzieren könnte.
Nun noch die Spaßpartei. Hui, auch hier GrokoHaram. Na, dann Schluss nu.
Von wegen. Ein Teilnehmer der übriggebliebenen Rumpf-Grünen findet das alles nicht ganz so einfach. Auch das mit der Landesregierung. Macht darauf aufmerksam, dass eigentlich alle Entscheider:innen einen Scheiß auf das geben, was die Menschen und Politiker:innen im Kreis so wollen. Willkommen in unserem Leben. Verweist auf die Startbahn. Mahnen und warnen – wow, die Grünen werden ja immer moderner. Da können wir uns noch ne Scheibe abschneiden. Auch der Vertreter der Atomindustrie bei der Bürger:innenversammlung sei ja nur ein kleines Lichtlein gewesen, das müsse man schon sehen. Dass wir nicht wichtig genug sind. Er sieht den Treiber in der Atomindustrie. Eine Erkenntnis, die schon früher hätte da sein können. So ungefähr vor 40 Jahren vielleicht.
Wir beraten, ob Festkleben vor der Deponie eine Alternative wäre und möchten gerne endlich zum Wein. Wir sind nicht alleine. Bei der sPD werden auch schon Kekse herumgereicht. Eigenanbau? 🤔
Wir bräuchten eine politische Entscheidung für das Atom-Dilemma. Gerne. Wir sind bereit für die Abstimmung.
Aber leider nur wir. Ein Kollege von der sPD verweist bei so viel Nachdenklichkeit am Redner:innenpult stolz auf sein grüngestreiftes Hemd – so sei wenigstens ein Grüner im Saal heute.
So. Nu aber. Nein. Sischer, die AfDings muss noch was sagen. Die Frau wird wie immer vorgeschickt. Die AfDings hätte noch Fragen (zu kurze Vorbereitungszeit, alter Hut). Aber alles in allem eine erfreulich kurze Rede. Allerdings: Die GrokoHaram nimmt nun biblische Ausmaße an: Man sei (vermutlich aus Mangel an Alternative) für den Antrag.
Nun rechnet noch schnell jemand von der Spaßpartei (wer sonst). Seine Rechnung geht im Applaus unter.
Endlich, Abstimmung. Angenommen. 59 Minuten. Gemessen mit der Atomuhr online. Prost!