Goldener Oktober,
zumindest für den Haushalt, der ist vom Regierungspräsidium zur Kenntnis genommen worden.
Wir beginnen pünktlichst. Herr Weiß verspätet sich, vermutlich, weil er gerade lernt, wie er uns alle retten kann. Im normalen Leben versteht sich, nicht in seiner Funktion als Kommunalpolitikdarstellender.
Wir ändern die Tagesordnung und inaugurieren den zu wählenden ersten Kreisbeigeordneten direkt nach der Wahl, nicht als rauschende Party zum Schluss. Das riecht uns nach spaßbremsenden Maßnahmen, aber wir machen gute Miene zum langweiligen Spiel.
Nun wirft die €dU unangemeldete Fragen zu angeblich angemeldeten Fragen auf, macht mächtig Wind, klarer Fall von ADHS. Und endlich stimmen wir der Tagesordnung zu. Und stellen wie immer fest.
Dabei machen wir eine rasante Zeitreise ins Jahr 2014: Endlich! Erfolg! Wir haben es geschafft! Der Jahresabschluss ist da. Geprüft und versiegelt. Leider eben erst der von 2014. Der Kreis ist also noch vor Corona unterwegs …
Außerdem: Juchuuu, der Haushalt ist genehmigt worden! Und das Haushaltsgeld wurde nicht zusammengestrichen! Die Hausfrau Will freut es.
Dafür dürfen wir zwei Kredite bestaunen, die der Kreis aufnimmt. Von der vierteljährlichen Tilgung könnten wir uns ein Haus kaufen. Vielleicht sogar ein Klinikgebäude. Oder eine Geburtsstation.
Jetzt ein Bericht über medizinische Versorgungszentren. Spannend dabei: wir sind kreisweit mit Kinderärzten überversorgt. In der Praxis gibt es lange Wartezeiten und überfüllte Wartezimmer. Wir fordern: schafft die Kinderärzte einfach ab. Dann gibt es auch keine Wartezeiten mehr.
Außerdem: In Biebesheim gibt es zu wenig Privatpatienten. Das ist nicht lukrativ für den Kreis. Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Auch die Kassenpatienten ohne Verluste zu versorgen oder die Anzahl an Privatpatienten zu erhöhen. Luxuswohnungen im XXL-Gewächshaus vielleicht?
Logistik: Will will mit der Regierungspräsidentin über die Planung weiterer Logistikflächen reden. Die will aber nicht, sondern will erstmal ohne und dann mit Will planen. Planung ohne Will vor Planung mit Will ist besser als direkte Planung mit Will. Jetzt schreiben sie sich kleine Briefe wie Verliebte damals in der Schule. Gut Ding will Weile haben. Und Will.
Das beschäftigt auch die sPD, die möchte, dass wir uns positionieren. Sie stellt klar, dass wir im Kreis nicht grundsätzlich gegen Logistik sind. Aber schön bleiben soll es bei uns schon. Was zu Lasten der Logistik geht. Nicht mal das Argument „Arbeitsplätze“ zieht heute, denn diese seien in Sachen Logistik logischerweise nicht qualitativ ansprechend. Und das wollen wir nicht (siehe die fehlenden Privatpatienten unter anderem in Biebesheim). Also: keine Logistikflächen mit der sPD.
Dazu kontert die Spaßpartei, dass es … ja, was sagt er eigentlich? Ah, es soll zurück in die Ausschüsse und es soll einen Ausgleich geben. Zurück also in den Videokeller in Köln, der sieht sich die letzten 300 Beschlüsse nochmal an.
Erschreckend, dass sich auch die €dU in der Sache „nah beieinander“ sieht. Heiliges Blechle, wie ist das passiert. Auch sie wollen die Sache gerne zeitlich verzögern.
Die Volksfront von Judäa (oder die andere Volksfront) will auch nah dran sein. Möchte aber ebenfalls einen anderen Text. Das ruft Widerspruch bei den Grünen auf, die das mit dem einigenden Dissens nicht so recht verstehen. Wir kratzen uns am Kopf und ahnen, hier ist mal wieder echte Politik im Gange: Es geht um Phrasen. Oder um verletzte Eitelkeit, wir forschen noch.
Oha. 5 Minuten Unterbrechung für eine Koalitionsberatung. Der Antrag wird schließlich zurückgestellt und kommt im November wieder auf den Tisch. Diese Einigkeit, verblüffend.
Wir hören jetzt etwas über Beratungs- und Untersuchungsangebote für sexuell übertragbare Infektionen (STI – Sexually Transmitted Infections). Die Angebote haben wir nämlich. Und 31 Menschen haben sie 2021 in Anspruch genommen. Die Lust auf Sex scheint im Kreis erschreckend gering zu sein. Wenn man es aus der präventiven Perspektive sieht, jedenfalls. Den Rest möchten wir uns nicht vorstellen …
Nun berichtet der Wahlvorbereitungsausschuss für die Wahl zum 1. Kreisbeigeordneten. Es hat sich jemand gemeldet: Adil Oyan möchte beigeordnet werden. Wir werden ganz grün vor Neid. Hätten wir uns nur rechtzeitig beworben. Aber die Späten bestraft bekanntlich der Kreistag. Nun müssen wir ihn wählen oder eben nicht.
Und los geht es, zwei Wahlkabinen für 71 Abgeordnete. Bis wir dann dran sind, machen wir ein Nickerchen. So, wurde nun ein Grüner gewählt? Man zählt noch, versucht es spannend zu machen. Ergebnis gibt’s im Stehen: von 66 abgegebenen, 38 pro, er hat das Amt gewonnen. Vor lauter Klatschen gehen uns die contra Stimmen und Enthaltungen (ungültig) akustisch verloren. Aber ganz offensichtlich ist der Kreistag hier nicht mehr so „nah beieinander“ wie in Sachen Logistik. Die nächsten 6 Jahre werden vermutlich spannender als der Wahlvorgang.
Die Dankesworte des frischgebackenen Kreisbeigeordneten sind hollywoodreif, da können wir noch was lernen. „Eine Wahl ist ja immer auch ein Vertrauensvorschuss.“ Das lassen wir mal unkommentiert. Zum Bingo gehört: Herausforderungen, Vielfalt, Klima, you name it … Für diese gekonnte Rede gibt es von allen Seiten Blumen – je nach Begeisterung größere oder kleinere Sträuße. Nur die Linken laden zum Essen ein und die €dU schüttelt oktoberfestgerecht jovial die Hand. Wir schenken ein kurzes Augenbrauenhochziehen, das muss reichen.
Pause. Verrückt, so viele Pausen gab es noch nie. Draußen ein Abschiedsfoto der Bensheimer:innen, die uns den Adil schenken. Sie sehen sehr zufrieden aus. Wir wollen jetzt mal nichts Böses denken.
Moment. Schnell noch sicherheitshalber vereidigen. Sogar Gott hilft mit. Heiligenscheinsmiley.
Als nächstes die Neuaufstellung der Lebensmittelüberwachung im Kreis Groß-Gerau als Stabstelle „Veterinärwesen und Verbraucherschutz“. Wir hören nur mit einem Ohr zu, wir essen gerade einen Salat aus Gernsheim-Allmendfeld.
An dieser Stelle entsteht eine unangenehme Länge in der Sitzung, soviel Salat haben wir gar nicht bestellt. Lebensmittelüberwachung scheint ein Thema zur Profilierung zu sein. Einigkeit ja, Einigkeit nein, Hauptsache, was gesagt und das Land Hessen beschimpft. Da wird man ganz grün vor Neid. Willkommen in unserem Leben. Wir sind ja dafür, zum nächsten Punkt überzugehen, bevor noch was passiert. Nicht dass erst was passiert, wenn was passiert. Nach 15 Minuten ist das Thema dann endlich passé.
Die Beruflichen Schulen werden umgebaut. Und es gibt sogar ein Parkhaus, damit nicht zu viele Schüler mit dem Rad kommen. Dafür wird dann das Gebäude der Erziehungsberatung abgerissen. Erzogen wird dann später… Derweil die (lange) Debatte:
Die Jugend der sPD hat Anstoß und plädiert engagiert für Ausbildung, ist ja selbst noch in der Ausbildung zu standesgemäßen Politker:innen. Mit dem Abschlusszeugnis lässt das mit dem Engagement dann bekanntlich noch nach.
Die Linke nimmt den Ball gekonnt an, dribbelt weiter und zitiert diesen Typen von den Marx Brothers. Sein Bewusstsein ist ganz unseres.
Die judäische Volksfront (oder die Volksfront von Judäa) möchte ebenfalls für Lernende eine hübsche Umgebung und eine gute Atmosphäre schaffen, zielt halbherzig aufs Tor. Möchte aber kein weiteres finanzielles Fiasko erleben. Abstoß.
Natürlich muss die Spaßpartei auch ran, erkämpft sich den Ball und macht ein paar Kunststückchen. Bildung auf Höhe der Zeit. Sie meckern auch über die Kosten – dabei wird die neue Schule doch der Porsche unter den Bildungseinrichtungen, was gibt es dagegen zu sagen?
Klar, noch die €dU. Auch hier drückt der finanzielle Schuh, dadurch ungenaue Ballannahme. Ein paar Beraterverträge oder Maskendeals, dann wäre die Bildung gerettet. Ach, so wichtig isses dann doch nicht …
Da muss der Chef persönlich nochmal ran. Man misst heute mit mehr Quadratmetern pro Schüler:in als früher. Klingt wie Nutztierhaltungsbestimmungen – quasi Schüler:innen aus Bio-Haltung. Oder kommt nur uns das so vor? Derweil wird sich von den 500 Millionen verabschiedet. Ne Milliarde wäre schon passender. Vor allem auf unserem Konto! Eine Steilvorlage. Wir reichen unsere Kontonummer an die Verwaltung weiter.
Im Saal gibt es viel Licht und viel Schatten. Den einen scheint die Sonne aus dem, äh, ins Gesicht, den anderen ist es zu dunkel. Sesame öffnen und schließen sich, damit es weitergehen kann. Was ist denn los heute?
Leider zu hell. Denn jetzt sieht man Frau H. sehr deutlich am Rednerpult stehen. Und hört sie auch. Sie spricht von Belastungen. Sie sollte mal unsere haben.
Der linke Verteidiger grätscht noch mal rein, aber dann: TOR in der 120. Minute! Endlich abgestimmt.
Die Klimabilanz 2020 für den Kreis Groß-Gerau ist da. Beachtlich, dass wir sogar ein eigenes Klima haben. Klar, dass die Grünen das Wort zuerst ergreifen. Bedanken sich für den Bericht. Wir sind gespannt, wer das noch so tut. Es scheint: jede:r. Again?
Eine der Volksfronten rechnet mit großen Zahlen und vergleicht mit dem Jahr 2000 statt 1990. Sehr fortschrittlich. Die sPD will auch was sagen und ärgert sich, dass die Volksfront schneller war. Merkt jetzt auch, dass Klimaneutralität nicht so leicht wird.
Auch die Linke guttiert den Bericht. Nun wüssten wir, wo wir stehen, denn das Sein bestimmt ja das Bewusstsein (siehe oben).
Wir nehmen dann irgendwann und endlich wohlwollend zur Kenntnis.
Die Volksfront von Judäa oder die Judäische Volksfront möchte einen Wetterschutz für das Schloss Dornberg. Wir spenden einen Regenschirm, mehr ist nicht drin.
Die andere Volksfront – also die, die nicht gemeint war – lässt sich nicht lumpen und möchte auch mal. Zusammen mit der FDP. Ein Beitrag zu Cybersicherheit. Shit, der macht inhaltlich Sinn. Deshalb fliegt er auch aus der Tagesordnung.
Auch vieles andere ist zurückgestellt, wobei da wirklich schöne Sachen dabei waren: Die Volksfront möchte zum Beispiel ein Freiwilliges Soziales Schuljahr für Neuntklässler:innen einführen – die sollen dann einfach einmal in der Woche nachmittags zwei Stunden im Kindergarten oder im Seniorenheim bei den €DU-Wählenden helfen. Der Fachkräftemangel bringt die Menschen auf interessante Ideen.
Jetzt steht die Spaßpartei unter Notstrom. Wir brauchen einen Plan. Dazu gibt es einen hessischen Kommentar von reschds. Die Prepper von der AfDings sind sehr vorausschauend und verweisen auf den drohenden Blackout. Drohend? Bemerkenswert, dass ihr der aktuelle Blackout im Saal nicht auffällt. Es ist 20 vor 5. Oder anders gesagt: Den Menschen im Saal ist ihre Zeit zu schade. Und wir haben definitiv keinen Plan für diesen aktuellen Blackout, außer lautes Murmeln. Endlich ist die Redeenergie versiegt. Die sPD ist sich hingegen sicher, dass wir alles im Griff haben. Werden. Wir sind sowieso fein raus, wohnen in der Nähe von Feuerwehren, Brauereien und Weingütern – unsere Versorgung ist soweit gesichert.
Sozialmonitoring für den Flughafen von der Spaßpartei. Ein neues Wort im Schatz der fdP: Sozial. Wir sind gespannt, was damit bezweckt werden soll, Marktregelsmiley. Die Linke hat da auch so ihre Vermutungen. Der Satz „der Flughafen ist eng mit dem Kreis verbunden“ kann also recht verschieden interpretiert werden. Wir fragen uns derweil, wer diese Studie eigentlich in Auftrag gegeben hat.
Die Ausbildungssituation im Kreis ist nun im Fokus der mehrheitlichen Koalition. Wir hätten ein Luxusproblem – nämlich keine Auszubildenden. Ui, kurz auf der Toilette gewesen (hier: akute Seifenkrise entdeckt, der rechte (sic!) Seifenspender ist seit 2 Sitzungen leer!11!!), schon spricht die AfDings, ausnahmsweise in ihrer männlicheren Ausprägung.
Und dann möchte die Alternative gegen Deutschland noch den Antrag „Schutz der Existenz Bauern und der bäuerlichen Betriebe vor Brachlegungen und ungerechtfertigten Bepflanzungsvorschriften!“ Sischere Betriebe, keine eggsistenzvernischdenen Vorschriften… etc. Und wir stimmen herzlich zu: wir möchten auch keine Bauern brachlegen! Und unsere Bauern werden dann auch nicht brachgelegt.
Ernte sei Dank – es ist herbstzeitloser Schluss. Der (zufällige) Blick in die Tasche unseres Nachbarn zeigt (leider) statt einer stattlichen Anzahl Geldbündel nur eine stattliche Anzahl Müsliriegel-Packungen. Wir schreiben schnell unseren Einkaufszettel, bevor Müsliriegel auch noch knapp werden …