Logbuch Kreistag. Es ist der 14. November 2022. Wir durchbrechen heute die Schallmauer
mit einem (unserem ersten) noch konkurrierenden Antrag zu einem der €dU. Aber dazu
gegen Ende der Sitzung mehr.
Derweil zieht ein wenig Lässigkeit ein, es ist 13:54 und wir sind der Vorsitzenden noch nicht
ansichtig. Anarchie? Wäre zu schön gewesen. Nebenan nervöse Arbeiten an der
Infrastruktur. Die sPD versucht, die Grünen nicht durch Laptopkabel zu Fall zu bringen.
Mörfelden sei Dank, sitzen wir heute sehr weit weg vom jungen sPD-Kollegen mit den
Müsliriegeln. Das hat er geschickt eingefädelt. Unsere hungrigen Blicke haben ihm beim
letzten Mal wohl Angst gemacht. Heute sei seine Tasche angeblich riegellos. Wir
wussten es, die Riegelknappheit naht!
Der Saal füllt sich gemächlich. Ein Blick zur AfDings zeigt nun 5 Personen in
fortgeschrittenem Alter. Das ist neu. Hat wohl wieder einer aufgegeben und wird sang und
klanglos durch einen noch älteren weißen Mann ersetzt. 14:05, es geht los. Die Frau
Vorsitzende klingt verschnupft.
Es gibt viel Bewegung auf der Tagesordnung. Wir sind schon wieder mächtig verwirrt. Die
€du jammert wegen fehlender Aufmerksamkeit. Es folgt der übliche Abstimmungsmarathon,
an dessen Ende wir dann doch eine Tagesordnung haben.
Wir beginnen mit schwerer Kost (14:17): Der Haushalt 2023 wirft seinen Schaden voraus. Äh,
Schatten. Neue Technik, kleines Inventar, der Chef kämpft mit dem Wandel. Außerdem ist er
zum Scherzen aufgelegt und will die Traditionen brechen. Kommt das an?
Wohl kaum, da er mit einem angekündigten Defizit gleich zu Beginn sicher €dU und
Spaßpartei auf den Plan (oder die Palme) bringen wird. Wir holen schon mal Popcorn. Zum
Haushalt werden auch diverse Tabellen und Diagramme gereicht – Kuchen, Linear und
Balken (diese noch in verschiedenen Formen), wird sonst langweilig. Notiz an uns: Haushalts-
Bingo aktualisieren. Neu: Angriffskrieg, Inflation, dynamische Zeit, weltweite Krise,
Katastrophenschutz, Dringlichkeit, Schere. Nur Ratzupaltuff fehlt leider noch.
Während wir gedanklich in der Rede versinken, wird der Stellenplan erläutert. Neue
Mitarbeitende braucht der Kreis. 222,39 genau, knapp an der Schnapszahl vorbei. Während
wir anstoßen, überlegen wir noch, in welcher Form die 0,39 Menschen in der
Kreisverwaltung eingesetzt werden. Vielleicht im Stockwerk 7 ½. Oder an Gleis 9 ¾. Aber der
Chef ist stolz, nur MKK und Offenbach (Kreis) haben weniger Personal in den größten
Abteilungen.
Zwischenzeit: 14:29. Alle wollen zum Will. Aus knapp 200.000 im Kreis Lebenden wurden
nun ca. 80.000 mehr. Fun Fact: Laut Hessischer Landkreisordnung bräuchten wir dann sogar
mehr Personal im Kreistag. Zwischen 200.000 und 300.000 sagt sie: 81 Abgeordnete. Wir
beginnen mit ersten Klonversuchen.
Außerdem hängt die Bildung am Krieg, da Containerschulen aus der Ukraine kommen. So viel
zum Stand der Bildung in unserem schönen Kreis. Dabei ist Containern doch verboten. Oder
gilt das nicht für Wissen?
14:40, der Chef denkt, er hätte noch nichts erzählt. Und es geht weiter, sagt er. Die
Millionenbeträge fliegen im Saal herum wie die Dollarscheine in Dagobert Ducks
Geldspeicher. Der Chef wird nicht müde. Wir müssen allerdings zugeben, dass wir so
langsam wegdrif … Auch die Vorsitzende kratzt sich nachdenklich am Kinn und schaut in die
Ferne des Raumes.
Wir hören „ein ehrlicher Haushalt“ – es scheint auf den Schluss zuzugehen. Yay. 14:47. Der
Haushalt ist gründlich eingebracht.
Nicht nur Chef scheitert an der Technik. Kurze Mikrofonprobleme beim Tagesordnungspunkt
Sachstandsbericht Schulsozialarbeit. Man musste die rechte Taste drücken, das fällt dem
Kollegen der sPD etwas schwer. Löblich kurz, der Vortrag.
Die Volksfront von Judäa (oder die judäische Volksfront) dehnt das Raum-Zeit-Kontinuum
aber wieder aus. Die Spaßpartei hängt sich dran. Frei nach dem Motto: Hauptsache was
gesagt. Wo ist ein Wurmloch, wenn man es braucht?
Der Landrat hat noch ein bisschen Dringlichkeit. Neue Unterkünfte für Geflüchtete. Nicht alle
stimmen zu, versteht sich. Der Verdachtsfall ist natürlich gegen Flüchtlinge.
Huch, die Logistikflächen brauchen Bedenkzeit. Die Sitzungsunterbrechung wird aber
schließlich wieder unterbrochen. Die Koalition beginnt in Grün mit der Anti-Logistik-Rede.
Der brandneue Antrag dazu von der Spaßpartei/€dU wirft Unverständnis auf. Was die
Spaßpartei nicht so stehen lassen möchte. Wittert man etwa ein Geschäft? Wir wünschen
uns, man käme zum Punkt. Ah, mehr Forderungen stellen und Schulterklopfen kassieren.
Interessant. Die sPD kontert und verlangt Doppelnutzen. Die judäische Volksfront (oder die
andere) will auch. Dagegen sein. Und die Infrastruktur ertüchtigen. Keiner will einen
schlechten Deal. Da sind sich alle einig.
Zur Erheiterung aller hat die €dU gerade den Wettbewerb der scheußlichsten Klingeltöne
gewonnen. Dazu denkt man dort, dass wirklich alle Belastungen herunterzufahren seien. Wir
verweisen gerne auf die Pferdefuhrwerke aus unserem Wahlprogramm. Aber die Angst vor
dem Schrumpfen geht um bei der €dU – wir gewähren als Anti-Angst-Therapie gerne mal
regelmäßige Blicke auf unsere Kontoauszüge, Geldkoffersmiley.
Abgelehnt. Angenommen. Weiter.
Einrichtung eines Hospizes. Nachdem die Koalition eröffnet hat, ist die €dU wieder
unzufrieden. Die €dU will in Würde sterben, vorzugsweise kurz vor der Wahl, damit man letztwählenden noch den Stift führen kann. Sie verlangen Turbopolitik und schnelle Fakten.
Wie viele Parkplätze benötigt werden? Ja, wie viele Autos braucht man eigentlich zum
Sterben? Gibt es Sonderparkplätze für Leichenwagen? Und wie viele hat die €dU noch im
Keller?
Nun Satzung Kindertagespflege. Die bisher unzureichend sei. Längere Rede. Notiz am Rande:
Mörfelden scheint eine reiche Stadt zu sein oder hat geheime Seifenvorräte – in der Toilette
für sich weiblich definierende Personen sind beide Spender reich gefüllt. Nimm das,
Kreisverwaltung! In Mörfelden läuft es halt wie geschmiert.
Man hat es leider kommen sehen (Tagesordnung): Frau H. stammelt los zur Sicht der AfDings
zu den Flüchtlingen im Kreis (eh zu spät, siehe oben). Lautes genervtes Stöhnen im Saal,
zusätzlich bricht eine Fluchtbewegung aus. Fazit: Die AfDings will nichts mehr stemmen. Ein
bisschen kraftlos, die Partei. Brauchen vielleicht wir mehr Fitnessstudios im Kreis? Wir
wissen es nicht.
Ui, ne wütende Wortmeldung. Kurz und knackig, das bekommt Beifall. Und leider auch eine
Replik von Frau H. (Händevorsgesichtschlagsmiley.) Herr P. links neben uns hat keinen Bock
mehr und flieht. Herr K. rechts neben uns geht gleich mit.
Das Beste zum Schluss, wir holen mal kurz aus: Die AfDings will mit Wickeltischen die Väter
retten, solange sie keine Flüchtlinge sind (irgendwen müssen sie ja retten, ganz ohne fühlt
sich niemand gut). Die €dU will konkurrierend dazu lieber alle retten. Zumindest denken sie
das. Sie haben aber wen vergessen, daher haben wir einen noch konkurrierenderen Antrag
gestellt (siehe unten).
Die Spannung steigt. Mal sehen, ob wir es schaffen, dass in der Kreisverwaltung wegen uns
ne Wand eingerissen wird. Leider nein. Denn der Antrag habe sich erledigt. Da – so wissen
wir nun – die Kreisverwaltung nur so vor Wickeltischen, die für alle zugänglich sind, strotzt.
Da fragen wir uns: hat die AfDings einfach nur schlecht recherchiert oder ist sie ebenso faul
wie wir und geht nicht freiwillig zum Haupt- und Finanzausschuss, der das bereits geklärt
hat?
Egal. Die Chance auf eine schicke Unisex-Toilette mit Wickelzone für alle Altersklassen
kommt wieder!
Aber jetzt erst mal Schluss.
Und jetzt kommt noch unser Antrag. Und als Links: unser Antrag im Ratsinformationssystem, der Antrag der AgD und der Antrag der €dU.
Der Kreistag möge beschließen:
1. Im Landratsamt des Kreises Groß-Gerau soll zukünftig folgende Infrastruktur zur Verfügung stehen: ein separater, geschlechterneutraler, barrierefreier, für alle Alter altersgerechter Wickelraum in ausreichender Größe.
2. Ist dies aus Gründen nicht möglich, soll durch einen einfachen Wanddurchbruch eine barrierefreie Unisex-Toilette geschaffen werden, sodass die Wickelzone automatisch allen Menschen zur Verfügung steht und ein gänzlich diskriminierungsfreier Raum geschaffen wird.
Begründung: Die Anträge der CDU und der AfD sind nicht weitreichend genug. Gerade der Antrag der CDU ist ein typischer Fall von Altersdiskriminierung. Es ist erforderlich, dass allen Menschendie Möglichkeit gegeben wird, anderen Menschen altersunabhängig die Windeln zu wechseln. Aufgrund der Inkontinentaldrift ist es nicht ausreichend, dass nur die Gelegenheit gegeben wird, Kindern die Windeln zu wechseln.