1. November: Sitzen, bis die Ärztin kommt oder Schon wieder Wahlkampf

Andere haben Feiertag, wir müssen nachsitzen. Die heutige Sondersitzung haben wir der €dU zu verdanken (siehe letzter Bericht). Jetzt müssen wir hier sitzen und den Landrätinnenwahlkampf der €dU live verfolgen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Das Thema: Die Kreisklinik.

Die AfDings hatte hier laut Lokalpresse auch Befindlichkeiten, fühlen sich benachteiligt, weil ihnen damals nicht zugehört wurde und weil sie die gleichen Fragen schon vor der €dU gefragt hätten. Das heißt: sie meinen, dass die €dU ihre abgelegten Unterhosen weiter nutzt. Na, hoffentlich schön gewaschen. Wir sagen: Tja – und nehmen die ergänzenden Fragen unwillig zur Kenntnis. Spoiler: Auch die AfDings stellt eine Kandidatin für den Landrätinnenwahlkampf.

Vor Sitzungsbeginn tauscht die €dU-Fraktion die Plätze wie bei der Reise nach Jerusalem. Wir werden von der unmittelbaren Nachbarschaft des Adels befreit, damit er weiter vorne wahlkämpfen kann. Sie haben das Spiel aber nicht ganz verstanden, denn am Ende haben alle einen Stuhl. Merke: nächstes Mal früher kommen und einen Stuhl entfernen. Und dann mal gucken, wie die €dU damit umgeht.

Viele fehlen, entschuldigt versteht sich. Übrigens gefühlt fast alle aus der €dU-Fraktion. Erst uns hierher bestellen, dann selbst nicht auftauchen. Lösen sie die FDP als Spaßpartei ab?

Los geht’s. Natürlich spricht der Adel, der gerne Landrat werden möchte, zuerst. Er WILL uns gleich mal detailliert erklären, warum wir hier sind. Darauf sind wir nun wirklich sehr gespannt. Sehr lange Sätze. Gleich mit direktem Landrats-Beschuss.

Ach so: kennt den Adel eigentlich jeder? Der ist Bürgermeister in GiGu. Das ist da, wo sie einen Tunnel gebaut haben, und die Radfahrer und Fußgänger vergessen haben. Das heißt, wenn er den Kreis übernimmt, dann kriegen wir einen Neubau an der Kreisklinik, und am Eröffnungstag fällt dann auf: jetzt gibt es keinen Weg mehr für die Rettungswagen. So ungefähr.

Aktueller Entwicklungsstand Kreisklinik. Worte, Worte, Worte. Ihm fehlen die Fakten von Seiten des Kreises, ach so, nee, natürlich des Landrats. Leider müssen wir feststellen, dass das Redetalent des Adels bei längeren Sachverhalten etwas limitiert ist.

Wirtschaftlich soll die Kreisklinik schon sein, nicht aber gewinnorientiert. Interessant. Wird die €dU jetzt sozial? Wir blicken da ja schon lange nicht mehr durch. Es gäbe zweistellige Millionenbeträge als Fälligkeiten – das könnte der €dU natürlich niemals passieren. Worte Worte Worte. Impulse von außen nötig. Achtung, jetzt kommt‘s: einen externen Berater beauftragen. Darf der denn dann wenigstens Gewinn machen? Also, nachdem er Geld an €dU Politiker:innen abgegeben hat, um den Auftrag zu bekommen? Oder bilden wir uns nur ein, dass das schon mal wo passiert ist?

Nebenbei: das Internetz hier funktioniert Bombe. Also so, als wäre eine eingeschlagen. Nämlich gar nicht. WERBUNG: Wenn Sie unsere Kandidatin wählen, dann gibt es Internet im ganzen Kreis, überall. Wir versprechen, dass Sie sich, falls es doch Netzlöcher gibt, beschweren dürfen. Allerdings nur direkt online.

Es bewahrheitet sich mal wieder, dass niemand den sehr guten Spar-Vorschlag aus unserem sehr guten Programm zur Kommunalwahl gelesen hat. Wir zitieren kurz: „Ein funktionierender Kreis braucht einen funktionierenden Kreißsaal. Wo sollen unsere Wähler:innen denn sonst geboren werden? Mit uns erlebt der Kreißsaal eine Wiedergeburt – mit einer modernen Doppelnutzung zur Finanzierungssicherung: Die Sitzungen des Kreistags finden zukünftig im Kreißsaal statt, die Geburtstermine richten sich ganz einfach nach den Sitzungsterminen.“ Ist doch nicht so schwer. Muss man gar nicht so lange reden.

Nun die Geschäftsführerin der Kreisklinik. Wundert sich, dass wir hier nochmal Dinge besprechen, die schon längst mehrfach besprochen wurden. Das haben wir dann ja gemeinsam. Bedankt sich bei allen Parteien, die in den Ausschusssitzungen (geistig) anwesend waren oder sich von selbst an sie gewandt haben wegen Informationen. Das waren alle außer der €dU und die AfDings. Wer hätte das gedacht.

Vetternwirtschaft wurde von der €dU angemahnt. Wir gehen zum Lachen in den Keller. Das ist auch gut so, denn die Erklärungen sind episch. Sie erklärt schön, was man wo, wie, warum und wann gemacht hat. Wir mögen ihren Unterton. Man könnte direkt zuhören…

Sie echauffiert sich etwas, als es um ihre Mitarbeitenden in der Kreisklinik geht. Die hätten ja schließlich nebenbei auch noch ‘ne Pandemie gewuppt. Und sind noch dabei. Sterben in Zweibettzimmern möchte sie auch nicht unterstützen. Das klingt recht vernünftig. Die Pandemie sei auf dem Rücken der Krankenhäuser finanziert worden. Ist noch niemandem aufgefallen – bei der €dU.

Uns fliegen die Informationen um die Ohren wie kleine Schrotkugeln. Gut, dass die Geschäftsführerin nicht in unsere Richtung schießt. Wir wissen mittlerweile mehr, als uns lieb ist. Und es kommt noch mehr. Wir üben den Minutenschlaf. Was wir im Traum hören, klingt eigentlich recht schlüssig. Vor allem viel zu ausführlich. OPS und Budgetplanung und Spahn. Nein, das wollen wir nicht googeln. Das Spahn wir uns.

Ein bisschen fehlt uns jetzt die Unterhaltung. Alles zu ernst hier. Die kriegerische Stimmung von vorhin ist im A…

Mhm. In der Zeit hätten wir auch die 615 Seiten Haushaltsentwurf 2022 lesen können. Frage 1 endlich beantwortet (Finanzen). Es geht über zu Frage 2, Pflegekräfte.

Während wir die Gedanken schweifen lassen, sind wir froh, dass wir MNS dabeihaben, denn in der Stadthalle zu Rüsselsheim riecht es unangenehm nach billigem Bratfett und nicht näher definierbaren Essen. An die Wände schauen sollte man auch nicht, das Bildmaterial ist unterirdisch. Rüsselsheim at its best.

Wann beginnen denn nun wieder die Spiele?

Ha, es geht los. Ein Mann von der €dU (vergleichsweise jung, Bart) schreit dazwischen, als es hieß, wir könnten etwas googlen, wenn uns langweilig ist, weil wir das meiste ja schon wüssten.

Wir versuchen Inhalte ja ständig zu überwinden, bekommen aber zufällig mit, dass der Pflegepersonalquotient der Kreisklinik sehr gut ist im Deutschlandvergleich. Hundertirgendwas von mehr als tausend Kliniken. Für uns klingt das nicht so schlecht. Aber wer sind wir schon.

tmi das alles. Es wurden sogar examinierte Pflegekräfte ermutigt in unseren schönen Kreis zu ziehen. Wir hoffen, dass sie das nicht so schnell bereuen. Spätestens wenn sie in den Sitzungssaal kommen, flüchten sie… Ärzte gibt es auch. Jetzt ein Exkurs ins Medizinstudium. Wenn wir hier rausgehen, können wir alles: Finanzierung, Personalmanagement, Medizin. Was kommt noch? Auch wenn Transparenz gefordert wurde: man kann es auch übertreiben. Danke €dU!

Eine Stunde ist jetzt rum. Sogar tippen wird langweilig, der Abgeordnete W. zeigt neben mir auf seine Uhr. Wir werden wie immer nicht beachtet.

Augenklinik-Notaufnahme im Kreißsaal? Moment! Schon wieder unser sehr gutes Konzept ignoriert!

Schön wäre es ja, wenn man googlen könnte, so wie es die Geschäftsführerin zur Unterhaltung vorschlägt. Aber wen wundert‘s, dass das Internetz immer noch nicht durchgängig funktioniert, außer über mobile Daten und eigenem Hotspot. „Papierloser Kreistag“ geht nur, wenn man alles downloaded? Nicht akzeptabel. Und kaum sagt man es, geht es für 20 Sekunden und lädt das Papier der €dU. Wollten nur checken, wie viele Fragen noch übrig sind. Klingt jetzt wie die letzte Frage, heureka. Abgeordneter W. versucht sich das mit mehr Kaffee schönzutrinken.

Die Heizung scheint übrigens auch nicht zu funktionieren. Eisfüße, bei einem Rundumblick fällt auf, dass viele Jacken tragen. Willkommen in Rüsselsheim. Gut, dass es die Kreisklinik gibt, die all die Erkälteten später aufnehmen kann.

PAUSE. Yeah. Und das ohne unser Zutun. Reine Telepathie mit Frau MR.

Wie kurz 15 Minuten sein können. Es wird Fortführung gebimmelt wie an Heiligabend. Nur mit weniger Geschenken, Essen und Alkohol. Wir wollen Gänse! Vegetarische natürlich. Und Knödel.

Wer knödelt jetzt weiter? Krieg der Kandidat:innen! Die AfDings will nicht wieder ignoriert werden.

Die Spaßpartei beginnt mit dem Schusswechsel. Warum eigentlich? Die haben doch gar keine eigene Kandidat:in. Das Mikro will auch nicht mitmachen. Sie fühlen sich nicht mitgenommen und eingebunden in die Entstehung des intersektoralen Gesundheitszentrums. Muss die FDP wirklich überall mit dabei sein? Wir lassen diese Frage jetzt mal offen. Mehr Eigenkapital für die Klinik wird verlangt. Ein Wort, das nur die Spaßpartei und ihre Anhängenden kennen. Ein lustiger Piepston zeigt an: Schnell zum Ende kommen. (Wir waren’s übrigens nicht!)

Die SPD enttarnt die Vorgehensweise der €dU als durchschaubar und peinlich. Er nimmt den Adel ins Visier. Warum die Fragen nicht schon den Ausschüssen gestellt wurden. Tja.
Da war halt noch kein Wahlkampf. Oder alle schon eingeschlafen.

Wir alle wollen nicht hier sein, soviel steht fest. Er findet die €dU und den Adel etwas unseriös. Das deckt sich ausnahmsweise mal mit unseren Ansichten. Nach einem Querschuss in Richtung Spahn blickt der ehemalige Bundestagdirektkandidat des Landkreises so drein, wie er heißt und wippt nervös mit dem Bein.

Kassiber wechseln die Gänge, um den Unterhaltungsfaktor noch zu erhöhen.

Langer Applaus. Nun der abgewählte Direktkandidat. Welche Waffen wählt er? Er bedankt sich, dass wir da sind. Na gut, seine eigenen Leute sind es ja nicht alle. Aber auf diese Nettigkeit fallen wir nicht rein. Der Rest ist nicht der Rede wert. Ein bisschen Aufruhr zieht durch den Raum. Millionengrab Klinik. Sie sei nicht effizient. Aber die Leistungen des Personals werden natürlich anerkannt. Eine klare Widerspruch-Widerspruch-Situation. Jetzt geht’s um Wunder? Leider nein. Auch dies kriegt die €dU nicht hin, trotz bester Verbindungen zum Klerikalen. Uns deucht, er spräche nur mit dem Landrat. Also dem amtierenden. Oder wie sollen wir es deuten, dass er sich nicht zum Gremium wendet?

Also wenn man das zusammenfassen kann: die Klinik muss effizienter werden, aber die Leistungen des Personals sind okay. Was sagt das? Entweder ersetzen wir die Betten durch Pritschen oder verringern den Lohn des guten Personals. Oder beides.

Die LINKE stellt eine Nachfrage. Wir sind gespannt auf die Antwort… Leider nicht der Rede wert.

Nun die Volksfront von Judäa – oder die judäische Volksfront, Sie wissen ja, dass wir es alle nicht so genau wissen. Am Ende sind wir wieder die einzigen, die den Anstand haben, das Ding hier nicht unnötig zu verlängern. Für unseren Leser K. aus S. verlieren wir uns jetzt nicht weiter in Details, sonst wird es wieder tldr.

Nun die Grünen. Haben auch kalte Füße. Danke nochmal an die Stadthalle. Randale auf der Koalitionsseite, der Haushalt rauscht zu Boden. Bei dem Umfang ein ordentlicher Rumms.

Noch 39 % Akkuleistung. Natürlich gibt es auch keinen Strom in Rüsselsheim. Wahrscheinlich endet das alles hier sehr abrupt.

Ballwechsel zurück zur €dU. Danach die Fragen der AfDings. Wir freuen uns schon. Sie sollen im Landratswahlkampf ja nicht zu kurz kommen. Wir punkten allein schon dadurch, dass unsere Kandidatin nicht im Kreistag sitzt. Kein Interessenkonflikt möglich, Gewinnerinnensmiley.

Juhu, die Kandidatin H. spricht. Hoffentlich steigen wir durch. Sie beginnt mit einem entschiedenen „Ähem.“ Nun wird die Predigt abgelesen. Die Schäfchen schlafen. Wir beantragen Redeübungen für Kandidat:innen. Hätte ein bekannter verstorbener Mann mit seltsamem Bärtchen und Migrationshintergrund die gleichen Redekünste gehabt, dann wäre uns so manches erspart geblieben…

Juhu, keine Wortmeldungen mehr. Der Landrat spricht. Kompakt, verspricht er. Zwischenstand: 2 h 46 Minuten. Hat alles etwas länger gedauert (also alles, nicht die Sitzung), weil man etwas länger gebraucht hat, um bezahlbare Berater:innen zu finden, die zur Klinikgröße passen. Etwas, was die €dU sicher nicht versteht. Erkenntnis: Spahn ist Geschichte, die Kreisklinik nicht. Der Echauffierungs-Level des Redners steigt. Wird es nochmal spannend? Die Uhr tickt. Besonders die Parkuhr. 2 h 55 Minuten. Fast kompakt.

Endlich: Abstimmung. Juhu. Abgelehnt. Angenommen. Schluss.